Im Sinne des open source: Hier ist mein rotary platen

  • Hallo Community

    Lasst mich ein wenig ausholen....:

    Als der erste Lockdown kam, war für mich die schlimmste Folge, dass ich erstmal nicht in meine 6km entfernte Schleifwerkstatt konnte. Zuhause habe ich eine kleine Werkstatt mit Bohrmaschine, die auch für die Kiddies in den Wintermonaten zum Basteln taugen soll. Gott sei Dank war das meine größte Sorge, die Familie konnte weiter versorgt werden und wir hatten insgesamt eine gute und nötige, intensive Zeit miteinander. Das stelle ich voran, um zu erklären, dass ich Maschinenbau betreibe, weil die Möglichkeit für Messermachen selten geworden ist. Und das Messer immer noch die eigentliche Leidenschaft sind.

    Vor genau einem Jahr hatte mir einen langgehegten Traum verwirklicht und mir ein sogenanntes rotary platen gefertigt. Ursprünglich wollte ich das von claryx kaufen. Auch wenn ich beim Preis schlucken musste, hatte ich schon ein konkretes Angebot eingeholt. Leider musste ich feststellen, dass die Vorrichtung von claryx zwar sehr gut ist, aber der Spannmechanismus dafür sorgt, dass das Ganze aufträgt und nicht mehr an meinen Schleifer passen würde.
    Es begab sich aber, dass ich konstatieren musste, einen unruhigen Geist innewohnen zuhaben und so baute ich mir mit Hilfe und Zureden von Marius mein eigenes rotary. Und wenn man sich schon die Mühe macht, alle Daten und Maße durchzudenken, dann kann man auch sofort ein paar mehr bauen. Die Muße dazu bekam ich dank Corona und eine erste von drei Kleinserien nahm seinen Lauf.

    Ich schreibe diesen Beitrag, um die Vorrichtung so weit zu dokumentieren, dass der nächste, der sich sowas bauen will, es übernehmen kann und vielleicht erspare ich jemandem ein wenig Recherchearbeit. Im Folgenden gebe dann mal einen Überblick.

    Bei der Laserei des Vertrauens ist diese Zeichnung einzureichen, ich habe mit der Stärke von 10mm noch keine Schwierigkeit gehabt:
    - rotary-endgültig.dxf.zip (<--zip entpacken, sie enthält eine dxf, die jede Laserbude einlesen kann)

    Der Arbeitsschritt, weil nicht ohne weiteres automatisierbar, der mich am meisten stört: 6,8mm Bohrung setzen für ein M8-Gewinde
    -

    Dann erstmal eine Orgie an Bohrungssenkungen. 22 Mal wird der Senker bei einem rotary nach unten bewegt
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    Wohl dem, der so ein affengeiles Gewindeschneidapparatdingens besitzt. Es ist definitiv älter als ich, rotiert aber immer noch runder:)

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    Und dann zum ersten Mal ein Familienbild aller Bauteile:
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    Ich bin den Weg mit Distanzbuchsen gegangen, auch die Zwischenringe sind aus der cnc gefallen, zufällig mit genau der Dicke, die für meinen Schleifer taugt:). Natürlich gibt es viele Wege. Dieser passte zu mir und meinen Möglichkeiten
    Das Herzstück dieser Balligmachmaschine sind die Rillenräder. In meinem Fall handelt es sich bei dem Riemen um einen 711PJ22. 711mm Länge, 22 Zähne und Standard PJ. Falls jemand also sich so ein Rad fertigen lassen will: Im Netz nach poly-v PJ Riemen suchen, aus dieser Norm kann der cnc-Bearbeiter sich dann ableiten, welches Werkzeug er zu kaufen hat. In der Norm pj sind alle Angaben zu finden, die man braucht(Größe der Rillen, Radien, Tiefen usw).

    Nachdem das geklärt ist, kann montiert werden und wir halten das baby in der Hand


    Zum Spannen diese M8-Schraube(1) gaaaanz leicht lösen:


    danach gewünschte Spannung der zweiten M8(2) einstellen, und ganz wichtig, die erste M8 wieder anziehen.

    Da ich öfter gefragt werde, wie fest denn der Riemen anzuziehen sei, ich ziehe ihn so fest an:

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    Und hier mal exemplarisch zwei Bilder in freier Wildbahn, selbstredlich im Einvernehmen der Bildbesitzer:


    Wenn du den trockenen Stoff bis hierhin durchgelesen hast, dann danke für deine Aufmerksamkeit. Vielleicht bin ich an irgendeiner stelle zu schnell gewesen oder habe etwas übersprungen, was noch erläutert werden sollte? Die Fragen beantworte ich gerne, soweit ich kann. Und wer weiss, vielleicht baut irgendwann mal dieses Ding nach? Für mich ist die aktuelle Serie wohl die letzte erstmal. Mein cnc-Kontakt erlitt einen Herzinfarkt, von dem er sich zwar erholt hat, nun aber mit 70 endgültig in den Ruhestand geht(ob er das aushält?)


    lieben Gruß
    Alex

    (disclaimer. Die Art des Schleifens ist nicht von mir erdacht, die gibt es schon mindestens 60Jahre. Die Art und Weise, wie ich die Spannung verstelle, habe ich bei http://www.wkmtool.com/ zum ersten mal gesehen, der die seinerselbst aber auch irgendwo gesehen hat... Ich konnte nicht herausfinden, wer das zum ersten Mal so gebaut hat)

  • Hallo Alex,
    danke für diesen sehr ausführlichen Bericht, mit den vielen Hintergrund Informationen und den Zeichnungen.
    Ich habe ja auch diese Rotary Platen von dir und finde, dass dieses eine sehr gute Ergänzung für meinen Bandschleifer ist.
    Ich habe den kleinen BS, vom kleinen Messerlade und dort, musste ich die Einheit drehen, aber das war auch kein Problem.
    Wichtig ist hierbei nur, dass man die Drehachse mit einem Linksgewinde versieht, damit sich die Einheit nicht selbständig lösen kann.

    Grüße Frank
    Ich kann jetzt auch nur vermuten, was ich damit meine ....

  • Hallo Alex,
    Klasse dass Du die Daten hier der Allgemeinheit zur Verfügung stellst!
    Ich bin ja erst durch @Nordwind Frank auf das Teil aufmerksam geworden - und freue mich nun wie ein Kleinkind auf den Nikolaus - mal schaun, was der so bringt...
    Sobald ich Deinen Rotary Platen angebaut habe, melde ich mich wieder.
    Beste Grüße,
    Rainer

    Blaupfeil - the sky is the limit..

    1-participant.jpggentleman-messer-contest-champion.jpgaxt-gold.jpgwanderer1.jpg

  • Moin zusammen

    es gibt ja immer noch, auch mit diesen Daten von mir genug praktische und pragmatische Hürden, die zu nehmen sind. Aber ich lerne so viel durch andere, es wäre mir eine Freude, wenn das hier eines Tages jemandem hilft...

    Ich kriege sehr viel Resonanz durch dieses Projekt und das Beste: so viele gute, neue, nette Kontakte, die mich im Austausch über unser gemeinsames Hobby bereichern!

    gutNacht
    Alex

  • Hallo Alex,
    ja, man lernt bei solchen Projekten, aber genau sowas macht mir Spaß.
    Tüfteln, probieren, in der BC nach einer Lösung suchen, oder fragen, ob da jemand eine Idee hat.
    Ich habe in letzter Zeit einige Projekte abgeschlossen und schleiche immer noch um das Thema Planschleifvorrichtung………….
    Ich finde es genial, was du dort auf die Beine gestellt hast.

    Grüße Frank
    Ich kann jetzt auch nur vermuten, was ich damit meine ....

  • Planschleifvorrichtung steht bei mir an übernächster Stelle dran:). Als nächste Vorrichtung schiele ich schon lange auf eine Schleifvorrichtung a la bogdan..

    alex

  • Hallo Alex,
    Mittlerweile habe ich erste Erfahrung mit Deinem Rotary Platen gewinnen können - und ich mag ihn schon jetzt...

    Der Platen ist hervorragend verarbeitet, der Gurt läuft leise, man merkt wie sauber Du das Ganze durchgeplant hast (bis hin zur Befestigung der Rollen), alles sehr professionell!


    Ich habe mir noch einen Abstandshalter gebaut, so dass der Platen genau richtig in der Flucht der Rollen des Volf Bandschleifers sitzt

    Für den Schleiftisch werde ich noch eine weitere Halterung bauen, da der Rotary Platen tiefer sitzt als mein Standard Flat-Platen, je nachdem in welche Position er gedreht wurde

    Bis jetzt habe ich die Griffschalen des Croisé damit geformt, auch die neuen Schalen der reparierten Fleischgabel.
    Das Arbeiten mit dem Gurt hat etwas Organisches, weil er auf Druck kontrolliert nachgibt - Position/Abstand der Rollen, Haltung und Druck bestimmen das Ergebnis, die Möglichkeiten sind vielfältig und intuitiv!
    Als Nächstes werde ich damit konvexe Klingen formen und dann wieder berichten.

    Ein hervorragendes Werkzeug, Alex - ich freue mich jedenfalls sehr über das Teil, es bereichert meine Arbeit und erweitert meine Möglichkeiten!
    Beste Grüße,
    Rainer

    Blaupfeil - the sky is the limit..

    1-participant.jpggentleman-messer-contest-champion.jpgaxt-gold.jpgwanderer1.jpg

  • Hallo Rainer

    ich bedanke mich für die freundlichen Worte und dass du dir die Mühe gemacht hast, die hier zu formulieren :)
    Mir hat das Projekt auf jeden Fall mehr Spaß gemacht, als ich zu Anfang gedacht hätte. Dieses Optimieren, Weglassen, Vereinfachen. Wie so oft steht dann ein Produkt da, wo ein Aussenstehender sagt, das sieht alles einfach und einleuchtend aus. Aber es gab einen gedanklichen Weg dahin, bis es so ist wie es ist...

    gruß
    Alex

    Einmal editiert, zuletzt von alxh (3. Januar 2021 um 19:06)

  • Servus Community,

    auch ich habe mir einen Rotary gegönnt und bin extrem begeistert. Besonders die Eigenschaft, dass man bis zur Trizact Körnung A6 ohne Schleifschatten arbeiten kann und somit ein fast perfektes maschinelles Spiegelfinish machen kann ist der Hammer. Um das aber auch bei den klassischen Skandis und Jagdmessern mit Flachschliff nutzen zu können, habe ich ein bisschen rumgemurkst und hinter das Band zwischen den zwei weit distanzierten Rollen eine Platte angebracht.
    das ganze Schaut dann so aus:


    Wie ich das gemacht habe in Kürze:
    ich habe mir ein rumliegendes Winkeleisen (60x40) geschnappt und so ausgeschnitten, dass es dazwischenpasst und mit der Rollenspannung nicht kollidiert. Danach habe ich zwei Führungen für die Befestigungsschrauben mit der Flex reingeschnitten. Dadurch kann ich die Platte, wenn sie nicht im Einsatz ist, einen Zentimeter nach hinten setzen ohne gleich die Platte komplett rausschrauben zu müssen. Auf der zur Band hin liegenden Seite habe ich eine Platte aus gehärteten 1.2519 Stahl (ohne Anlassen) mit 2 Senkschrauben befestigt. Um die Reibung niedrig zu halten natürlich auf hochglanz poliert.
    Beim ersten ausprobieren ist mir dennoch nach ein paar Minuten ein leichter Gummigeruch in die Nase gestiegen und die Platte war recht warm. Hier habe ich mit Feinöl und Graphitpulver ordentlich Schmiermittel eingebracht, was einen großen Unterschied ausmacht. Seitdem wird die Platte nicht mehr allzu heiß und das Schmiermittel bleibt auch lange erhalten, da es sich ja nur zwischen Umlenkrollen und dem Rillenband befindet und somit nirgendwo auskann.

    Dennoch wird am Ende der Verschleiß höher sein — vor allem am Rillenband. Das muss einen natürlich bewusst sein. Ich nutze deshalb für den Grobanschliff weiter den üblichen Bandschleifervorsatz mit der harten Unterplatte und den Rotary erst ab einer Körnung von Trizact A100 mit ca 60-70 % der Bandgeschwindigkeit. Deswegen dauert das Schleifen von Körnung zu Körnung aber nicht länger. Durch die gummierte Unterlage habe ich das Gefühl, dass die Bänder wesentlich aggressiver und schneller abtragen.

    Die Knöpfe zum festdrehen der Platte sind, dem mangelnden Platz geschuldet, bei mir in unterschiedlicher Höhe angeordnet.

    Am Ende des Tages kann man dann ein solches 100% maschinell erstelltes Finish erhalten:

  • Hallo Max

    danke für deinen Beitrag. Das ist bestimmt für einige interessant, ich da oft danach gefragt, ob man da nicht eine Platte hinter den Riemen klemmen könnte. Du bist der erste in Deutschland, der das gemacht hat, und wie es aussieht, mit Erfolg.

    gruß
    Alex

  • Hallo Alex

    Habe deine Rotary montiert und kurz mal angetestet🙂

    Funktioniert tadellos!

    Bei der Montage auf meinem Bandschleifer (1500) musste ich allerdings auf platzsparenden Aufbau achten damit das Band nicht zu kurz wird 😃


    Freu mich schon auf die ersten Projekte damit!

    Vielen Dank nochmal