Kenkyo Kaiken - vom Bauern, der ein Krieger sein wollte…

  • Schon lange wollte ich etwas machen aus Rest- bzw. Alt-Materialen, die sonst nur mehr beim Schrott landen oder in irgendwelchen Kisten und Laden in Vergessenheit geraten.

    Der zweite Aspekt war die Klinge zu schmieden, soviel wie möglich in Handarbeit zu machen, minimalster bzw. am besten gar kein Maschineneinsatz, keine Elektrizität, keine „Abkürzungen“, nur Handwerkzeug und Ellbogenfett;

    Auch als bewusster Kontrapunkt zu „mehr und billiger“ entstand dann die Idee einer Hommage an Handwerk und Reduktion: Ein Kaiken in „hira zukuri“-Klingenform mit balligen Flanken, und dachförmigem Rücken. Das ganze in alltäglich verwendbarer Größe, schlicht und einfach das Messer eines Bauern, der auch einen Krieger in sich trägt.

    Der Stahl stammt aus einer alten Blattfeder eines Suzuki Samurai, Kupfer in unterschiedlichen Dimensionen lag in meinem Keller rum, Magnolienholz und Horn hatte ich aus anderen Projekten noch, den Kleber hab ich aus Reis hergestellt, Urushi musste besorgt werden.

    Dank eines guten Bekannten bekam ich Zugang zu einer Schmiede, dort wurde die Blattfeder am Federhammer gereckt und zugerichtet und die Klinge dann von Hand ausgeschmiedet.

    Nach Normalisieren in der ausgehenden Esse ging es weiter mit alten Feilen;

    Die Feilen hatte ich eigentlich besorgt, um Klingen draus zu machen - sie stellten sich aber so gut scharf heraus, dass ich sie zur Bearbeitung verwenden konnte. Für die Schmiedemarke habe ich einen Meißel aus einem alten Stemmeisen gefertigt;

    Gehärtet wurde mit Lehmmantel (Mischung aus Ton, Steinstaub, Kohleststaub, Wasser), abgeschreckt in Öl; angelassen in der Esse auf schwach gelb bis die Feile am Rücken wieder griff. Das traditionelle Härten in Wasser hab ich auf Anraten hier im Forum und Empfehlung des Schmiedes vor Ort zugunsten Öl abgeändert.

    Weiter ging es mit Banksteinen bis K3000 - dabei stellte sich neben manchen „geschmiedeten Ungenauigkeiten“ im Übergang Klinge/Erl auch ein kleines Loch in der Flanke raus… ich geh von einer Verunreinigung im Lehmmantel aus, welche sich dort tief eingebrannt hat. Der Erl wurde traditionell rauh belassen. Geätzt wurde mehrfach mit Essig/Zitrone. Die Klinge hat offenbar durchgehärtet, da kein Hamon sichtbar wurde…

    Es wurde vorerst eine einfache Montierung (koshirae) gefertigt. Das Habaki aus Kupfer wurde kalt gehämmert, hartverlötet und gefeilt. Griff und Scheide sind aus Magnolienholz zweiteilig aufgebaut, verklebt mit selbst hergestelltem Reiskleber.

    Die einfache „shirisaya“-Montierung wird mit Reiskleber und Schnurwicklung zusammengehalten, ergänzt durch eine Hornplatte, damit sich das Habaki kraftschlüssig abstützen kann. Als Vorbild dienten hier die Offiziers-Tantos aus dem zweiten Weltkrieg, die ebenfalls oft nur in Holz und Horn montiert wurden.

    Sämtliche Holzarbeiten wurden mit Japansäge, Hobel und Kiridashi ausgeführt, der Mekugi-Stift ist aus Zwetschkenholz geschnitzt.

    Die Holzteile wurden mehrfach mit Urushi lackiert und überschliffen.

    Der Weg war das Ziel, er war mit einigen Rückschlägen, Zugeständnissen und Ernüchterungen verbunden, hat sich jedoch sehr gelohnt - Ich hab viel dazugelernt und ich empfinde noch mehr Respekt vor japanischen Handwerkern und Schmieden;

    Aus dem Prozess hat sich auch der Name ergeben: Kenkyo - Demut;

    Eine zweite Montierung ist in Arbeit, diese sollte etwas „edler“ werden, falls der Bauer sich bewährt und in die Fuß-Soldaten-Klasse aufsteigen darf.

    BGC

  • Ein tolles Projekt. Nicht nur optisch sehr gelungen - auch der Bericht zum Entstehungsprozess macht Freude beim Lesen. Danke fürs teilhaben lassen.


    Gruß

    Uli

  • wow, das Ergebnis ist optisch (für mich als Nichtkenner der Materie- ich gebs gerne zu;)) absolut stimmig!

    Klasse Messer und wenn es aus der Blattfeder eines Suzuki Samurai geschmiedet wurde, dann passt das umso mehr!

    Danke dass du uns an der Entstehung teilhaben lässt! Sehr geil!

    Viele Grüße Gerd

    ... und immer einen ungeschälten Apfel in der Tasche! :thumbup:

  • Holla die Waldfee,

    das ist der Weg des Messers ganz nach meinem Geschmack. Die Gedanken und die Kreativität lassen vor dem inneren Auge ein Messer entstehen und die Umsetzung mündet in beachtlichen HandWerk, upcycling, Herstellung von Werkzeug und Kleber, im Beschreiten neuer Wege. Alles findet und fügt sich als hätten die Materialien nur auf den richtigen Moment gewartet.

    Das Ergebnis ist wunderschöne Handwerkskunst die ihre Authentizität in allen Details in sich trägt.

    Das ist ein absolutes Highlight für mich, Danke für die Teihabe und bitte weiter so :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    Viele Grüße

    Alex


    Blood, Sweat and Musclecat!

    zombie2.jpg

  • Du hast Deiner Kreativität freien Lauf gelassen, Enrico, und ein echtes Kunstwerk geschaffen.

    Mein Respekt! Vielen Dank fürs Zeigen.:thumbup::thumbup:

    Gruß Firenze

    Schönheit ist die Reinigung vom Überflüssigen (Michelangelo )

  • Sehr schönes Projekt, danke fürs Zeigen.

    Noch eine kleine Anmerkung, hättest du an Stelle der Blattfeder eine alte Feile genommen, hätte es mit dem Hamon wahrscheinlich funktioniert.

    Gruss
    Roland

    Schmieden das Eisen ich muss!

  • Absolut ein sehr gelungenes Projekt. :thumbup:* 100

    Danke für die ausführlichen Erläuterungen.

    So ein Projekt macht Ansporn für weitere Aktivitäten.

    Gruß

    Bernhard

    Man muß Gott danken, selbst für einen Unterfranken.
    Nunc est bibendum (Lasst uns trinken!) :beer: (Kellerbier)

  • Ich weiß nicht, was besser ist; Das Projekt an sich oder das Resultat. Jedenfalls großartig. Genau diese Kunst ist die Kirsche auf der Torte des Handwerks.

  • Du bist ein richtiger Multi-Claus. Vielseitig, wie sonst was! Coole Nummer und ziemlich fundierte Umsetzung. Bin beeindruckt! :thumbup:

    "Wenn man sie kennt darf man getrost die Regeln brechen/ Weil die meisten doof sind, fällt's uns gar nicht schwer/ Nur wer mal aufgestanden ist, der darf sich setzen/ und darum bleiben hier so viele Stühle leer" LOVE A

  • Hey Claus,
    sehr feine Arbeit, ich bin echt begeistert von der gesamten Umsetzung!

    Auch die gesamte Hintergrundgeschichte und Entstehung, ist unglaublich unterhaltsam und interessant.

    Danke, dass du uns "mitgenommen" hast :thumbsup:

    LG,
    Oliver

  • Herzlichen Dank für all die positiven Kommentare - das macht Freude!:thumbsup:


    Die Maße bin ich noch schuldig:


    Gesamtlänge: 235 mm, mit Saya 255 mm;

    Klingenlänge incl Habaki: 125 mm

    Klingenhöhe: 30 mm

    Klingenstärke: 4 mm


    Danke, Claus