LIONG MAH TRAVELER

  • Liebe Community,

    heute geht es um ein Messer, das sich nicht nur durch schlichte Eleganz auszeichnet, sondern auch durch ein mMn völlig gestörtes Preis-Leistungs-Verhältnis. So klein und darf trotzdem schon auf Reisen gehen:

    Das LIONG MAH TRAVELER

    Die Klinge besteht aus M390 und misst 6,985cm. Der Sinn hinter einer derartig knapp an der „magischen“ 7cm-Grenze gehaltenen Klinge schlägt sich bereits im Namen dieses schönen Messers nieder; Traveler. Angeblich sollen die 7cm im internationalen Durchschnitt den Unterschied zwischen legal und illegal bedeuten. In anderen Worten: Die Grenze hinsichtlich hoheitlicher Willkür verläuft im Schnitt bei exakt 7cm. Soweit, so ungut. Viel Spaß beim Ausmessen im Anlassfall, an Werkstoleranzen möchte ich gar nicht denken. Eine HRC-Angabe konnte ich nicht finden.

    Angepriesen wird das Messer als Slipjoint, was jedoch nicht ganz der Wahrheit entspricht. Es ist ein Double Detent. AmS eine schreckliche Art der „Verriegelung“; Während man beim Slipjoint einen durchaus kräftigen Widerstand spüren kann und die Klinge nicht urplötzlich nachgibt, funktioniert die Verriegelung dieses Messer nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip. Es tut sich also nichts, bis es plötzlich zu spät ist. Wohl auch darum wartet das Traveler mit einem derartig großzügigen Choil auf (s.u.).

    Warum also entscheidet man sich für so eine Verriegelung? Weil es ein Einhandmesser ist. Mittels Slipjoint wäre der Widerstand unüberwindbar, mittels Double Detent aber geht es. Wenn auch sehr schwer, da der Frontflipper klein und recht rutschig ist, während der Detent fest zubeißt. Sobald man die Klinge etwa zur Hälfte geöffnet hat, verschwindet der Frontflipper vollends im Griff (siehe Collage, links oben) und man ist auf die verpönte Handbewegung angewiesen, um die Klinge den restlichen Weg aufzuschleudern. Die Alternative dazu: Nagelhau.

    Am großen Choil kann das Messer also gehalten werden. Sollte man das ablehnen, dann ist der Choil immer noch groß genug, um den Zeigefinger nicht allzu schwer zu verletzen (siehe Collage, unteres Bild). Theoretisch. Denn der Übergang zur Schleifkerbe ist kantig und scharf, sodass es bereits bei geringem Druck darauf schmerzhaft wird. Nicht auszudenken was passiert, wenn das Messer kräftig auf den Zeigefinger schließt. Es würde jedenfalls nicht bei einer simplen Prellung, Quetschung, oder Fraktur des Zeigefingers bleiben, denn eine gröbere Verletzung auch weichen Gewebes wäre vorprogrammiert. Hier sollte also der Diamant zum Einsatz kommen… doch selbst dann bleibt es unangenehm spitz und scharf, solange man nicht alles komplett rund schleift. Hier der bereits leicht bearbeitete Choil:

    Bis hier insgesamt: Unangenehm, unpraktisch, manchmal fummelig. Übrig bleibt ein Messer, das nur für leichteste Arbeiten tauglich ist. Einen Karton würde ich damit nicht zerlegen wollen, auch möchte ich keine dicke und harte Salami damit schneiden. Denn sobald man einmal hängen bleibt und beginnt zu wackeln, löst sich höchstwahrscheinlich der Detent. Lästig. Über die Krückenlösung via Choil liesse sich das zwar bewerkstelligen, aber dann hat man eine instabile Klinge in der Hand und obendrein ist der Choil, wie bereits geschrieben, nicht gerade angenehm. Außerdem ist die Klinge so kurz, dass man den Daumen - in Anbetracht dieser Art der Verriegelung - verhältnismäßig weit vorne auflegt und damit die Überwindung des Detents forciert (siehe Collage, rechts oben). Das Chimping lädt auch noch dazu ein:


    Das war es erst mal mit dem Negativen.

    Der Rest des Messers – also die „Nebenpunkte“ – sind erstklassig.

    Der Griff besteht aus G10 mit Inlays aus Micarta (angeblich grün^^), das seine Farbe auch bei Nässe kaum ändert, sich sehr wertig anfühlt, recht fein gehalten und relativ rutschfest ist. Das Innenleben besteht aus Titan, Kugellager gesellen sich dazu. Spätestens jetzt weiß man also, wofür man bei diesem Messer bezahlt.

    Ein Highlight ist der Clip. Der besteht ebenfalls aus Titan und hat am Ende diese kleine Kugel, die schön über den Saum der Hosentasche rutscht. Ich konnte allerdings nicht beobachten, dass die Kugel auch wirklich kugelt. Sie wirkt starr, erfüllt jedoch ihren Zweck, letztendlich scheint es aber nur auf das Design hinaus zu laufen. Das kleine Messer wird jedenfalls ordentlich fest gehalten und dank seiner leichten, schlanken und allgemein kompakten Bauweise merkt man gar nicht, dass man es dabei hat.


    Es gibt Versionen mit (pseudohaftem) Sheepsfoot, Clip Point, Spear Point, sowie Griffschalen aus Carbon und hell-orangenem G10-Rand. Optisch ansprechend sind sie mMn alle und immerhin als Brieföffner oder Apfelmesser geeignet… solange der Apfel nicht zu groß ist, denn die Klinge ist kurz und man möchte ja nicht beginnen damit zu wackeln X/

    Und was löhnt man nun für so ein bloß eingeschränkt taugliches Messer von der Stange? Knapp 300 EUR. Ich glaube, ich würde es nicht nochmal kaufen. Das hindert mich aber nicht daran, es gerne dabei zu haben, denn bei Messern bin ich oberflächlich und ein Opfer hochwertiger Materialien bin ich sowieso. Für meine kleinen Aufgaben des Alltags genügt es.

    Dank des Clips bleibt das Messer auch unauffällig. Ich habe heute den worst case provoziert und mir für euch die hellste Jeans angezogen, den Clip direkt vom einfallenden Sonnenlicht bestrahlen lassen, das Bild auch noch leicht aufgehellt und sogar das Shirt ein wenig nach oben rutschen lassen. Auffälliger wird´s nicht:

  • Weil es ein Einhandmesser ist.

    Schöne Rezension für ein Messer, das diesen Aufwand eher nicht verdient hat, soweit ich das verstanden habe. Nach § 42 a WaffG ist übrigens jedes Einhandmesser mit einem Führungsverbot belegt, unabhängig von der Klingenlänge.

    Beste Grüße!

    Frank

  • Ich meine Folgendes:

    Zitat

    ...zwischen dem Scharnier und der Klinge ein drehbarer Ring (Arretierungsring), der mittels eines Pins zu ihrer Feststellung im geöffneten Zustand unter die Klinge geschoben wird und so das Einklappen der Klinge unmöglich macht...

    Das ist die Feststellbarkeit, die beim Slipjoint und beim DT eben gerade nicht dergestalt gegeben ist. Die lassen sich ja nur mittels Überwindung von Widerstand durch reine Muskelkraft einklappen und funktionieren nicht mittels "Verriegelung", "Arretierung", "Schloss", u. dgl. Darum dachte ich schon, dass derartige Messer als nicht-feststellbar gelten und ihr diese Messer führen dürft. Und der Frontflipper ist vorhanden, es ist ein Einhandmesser.

    Wie auch immer... Dann freut euch, dass die Hemmschwelle dieses Messer anzuschaffen noch höher liegt. 300 EUR zum Fenster hinaus. Wobei, irgendwie mag ich es ja doch. Eine Hassliebe.