Wärmebehandlung von Stahl, verständlich erklärt

  • Servus,

    da ich gestern mein Werkstoffkundereferat über die Wärmebehandlung von Stahl abgehalten habe und es ganz gut gelaufen ist, würde ich gerne mein Werk in etwas abgewandelter Form hier vorstellen. Ich bin selbst kein Metaller (beruflich gesehen) sonder Elektroniker und habe mich auch dementsprechend etwas schwer getan, die Vorgänge nachzuvollziehen. Ich glaube aber, das wichtigste begriffen zu haben und es in einer verständlichen Form wiedergeben zu können.

    Wenn Interesse besteht, würde ich hier einen Stichpunkt nach dem andren aufführen. Falls etwas nicht stimmt oder Fehlt, könnt Ihr mich gerne verbessern und zum Schluss könnte man ein PDF daraus stricken. Es soll nicht behandelt werden, bei welcher Temperatur Stahlsorte A weichgeglüt wird. Ich möchte mehr auf das eingehen, was bei Temperaturänderung im Stahl selbst passiert.


    Viele Grüße

    Christian

  • Alles klar. Dann geht es demnächst los. Die gröbste Arbeit ist ja schon erledigt. Ich werde nur noch den für Messermacher interessanten teil hier posten und evtl. noch ein paar Sachen ergänzen. Lediglich für die Bilder muss ich mir was überlegen. Nicht, dass es Ärger wegen Urheberrecht usw. gibt.

    Muss jetzt aber los. Die Löwen spielen!


    Gruß Christian

  • Servus,

    ich fange dann langsam mal an:


    Was ist Stahl?

    In der Schnmelze wird dem Eisen Kohlenstoff zugesetzt. Bis zu einem Kohlenstoffanteil von 2,06% spricht man dabei von Stahl. Ab einem Kohlenstoffgehalt von ca. 0.3% lässt sich der Stahl härten. Es können noch weitere Legierungselemente wie z.B. Chrom, Mangan, Nickel, Molybdän, Vanadium, Wolfram, u.s.w. zugegeben werden.


    Der Sinn der Wärmebehandlung

    Durch die Wärmebehandlung werden die Werkstoffeigenschaften des Stahls verändert. So kann man z.B. Härte und Zähigkeit des Stahls, je nach Anforderung einstellen.


    Wärmebehandlungsarten

    • Normalisieren
    • Weichglühen
    • Entspannen
    • Härten
    • Anlassen
    • unbehandelt
    • Vergüten
    • Lösungsglühen
    • Rekristallisationsglühen
    • Einsatzhärten
    • Nitrieren
    • Karbonitrieren
    • Oberflächenhärtung

    Die ersten fünf Wärmebehandlungsarten sind für uns Messermacher besonders interessant. Deshalb gehe ich später noch einmal genauer darauf ein.


    Die Gitterstruktur des Eisens


    Folgender Versuch wird durchgeführt:
    Das unlegierte, flüssige Eisen wird von der Schmelze ausgehend abgekühlt. Dabei wird die Temperatur gemessen und in ein Temperatur/Zeit-Diagramm übertragen.


    Man erkennt, dass die Temperatur nicht linear fällt. Bei drei bestimmten Punkten wird die Temperatur kurzzeitig gehalten. Das liegt daran, dass im Eisen eine Phasenumwandlung stattfindet. Das ist vergleichbar mit Wasser, wenn es kondensiert und bei noch niedrigerer Temperatur zu Eis erstarrt. Durch die Phasenumwandlung beim Abkühlen wird vom Eisen Energie in Form von Wärme abgegeben. Somit kann die Temperatur nicht weiter fallen, bis das komplette Eisen umgewandelt ist. Zwischen diesen besonderen Temperaturpunkten kommt das Eisen in der entsprechenden Phase vor.

    Analogie Wasser-Eisen:

  • Betrachtung der Elementarzelle


    Kommt das Eisen in fester Form vor, so besteht es aus einem Kristallgitter. Man unterscheidet dabei kubisch-flächenzentriert (Kfz-Gitter) und kubisch-raumzentriert (Krz-Gitter). Dabei sitzt auf jeder Ecke des Würfels ein Eisenatom. Im Kfz-Gitter ist noch ein weiteres Eisenatom in der Mitte jeder Würfelfläche. Im Krz-Gitter ist nur noch ein einziges Eisenatom in der Mitte des Würfels. Das Kfz-Gitter nimmt also mehr Eisenatome pro Elementarzelle auf als das Krz-Gitter. Es ist somit Dichter.

    Welcher Gittertyp vorliegt hängt von der Phase ab:

    • Delta-Eisen -> kubisch-raumzentriert, Krz-Gitter
    • Gamma-Eisen -> kubisch-flächenzentriert, Kfz-Gitter
    • Alpha-Eisen -> kubisch-raumzentriert, Krz-Gitter
  • Eisen + Kohlenstoff = Stahl

    Wir haben bis jetzt nur reines Eisen betrachtet. Fügt man diesem in der Schmelze Kohlenstoff hinzu löst sich dieser im flüssigen Eisen auf. Ähnlich wie Zucker im Kaffee. Dabei verbindet sich der Kohlenstoff erst einmal nicht mit dem Eisen, sonder ist wie bereits erwähnt im Eisen gelöst. Der Kohlenstoffgehalt beeinflusst dabei die Umwandlungstemperatur vom Gamma- ins Alpha-Eisen. Mit zunehmendem Kohlenstoffgehalt sinkt die Umwandlungstemperatur. Bei 0,8% hat sie ihren Tiefpunkt von 723° und steigt dann wieder an.

    Kühlt die Schmelze kontinuierlich ab so wird sie zu festem Gamma-Eisen. Die Eisen- und Kohlenstoffatome können sich nun nicht mehr frei bewegen, sondern sind an die Gitterstruktur des Eisens gebunden. Dadurch, dass das Kohlenstoffatom wesentlich kleiner ist, kann es sich in den sogenannten Zwischengitterplätzen einlagern. Obwohl die Dichte des Gamma-Eisens (Kfz-Gitter) höher ist, als die des Delta- und Alpha-Eisens (Krz-Gitter), kann es mehr Kohlenstoff aufnehmen (6,67% bei Gamma-Eisen, 0,02% bei Delta- und Alpha-Eisen).

    Wird weiterhin abgekühlt, beginnt die Umwandlung von Gamma-Eisen in Alpha-Eisen. Dieses nimmt jedoch nur 0,02% Kohlenstoff auf. Der Restliche Kohlenstoff ist gezwungen, sich mit dem Eisen zu verbinden. Je nach Kohlenstoffgehalt ist das Ergebnis eine Mischung aus Eisen und Eisen-Kohlenstoff.

  • Das Eisen-Kohlenstoffdiagramm


    Grundsätzlich wird zwischen dem stabilen und metastabilen System unterschieden. Der Unterschied liegt darin, dass man beim stabilen System davon ausgeht, dass der Stahl aus der Schmelze unendlich langsam abgekühlt wird. Beim metastabilen System geht man von einer technisch langsamen Abkühlung aus. Das hat zur Folge, dass sich die Temperaturen im Diagramm leicht voneinander unterscheiden. Das stabile System wird meistens mit gestrichelten Linien angedeutet.

    Ich verwende hier ein stark vereinfachtes Diagramm, das aber für uns Messermacher völlig ausreicht.

    Teig im Stahl?


    Ja, tatsächlich. Als Teig wird Stahl in einem Zustand bezeichnet, der eine Mischung aus fest und flüssig ist. Dazu müssen wir uns das Eisen-Kohlenstoff-Diagramm ansehen.

    Das Eisen-Kohlenstoff-Diagramm liest man meistens von oben nach unten für einen bestimmten Kohlenstoffgehalt. In der Schmelze ist der Stahl noch flüssig. Kühlt er ab, wird er fest. Je nach Kohlenstoffgehalt gibt es noch den Teig. Diese Bereiche werden durch die Liquidus- und die Soliduslinie begrenzt.

    Betrachtet man z.B. einen Stahl mit 0,8% Kohlenstoff, so beginnt man bei der Schmelze. Die Temperatur, bei der der Stahl zu erstarren beginnt ist unter 1536° (Schmelz-/Erstarrungspunkt Eisen) gesunken. Des Weiteren lässt sich erkennen, dass aus dem Erstarrungspunkt ein Temperaturbereich geworden ist, in dem der Stahl flüssig und fest vorhanden ist. Unterhalb der Soliduslinie ist der Stahl komplett erstarrt.

    Für uns ist nur der Bereich von 0,4% bis 2% Kohlenstoff interessant.

  • Die Phasen im Eisen-Kohlenstoff-Diagramm


    Zu erst müssen noch ein paar Begriffe geklärt werden:

    • Austenit: Austenit ist nichts anderes als Gamma-Eisen.
    • Ferrit: Ferrit ist nichts anderes als Alpha-Eisen.
    • Zementit: Ist die Verbindung (nicht Lösung) von Eisen (Fe) und Kohlenstoff (C). Das Formelzeichen dafür lautet Fe3C. Zementit kann auch Eisenkarbid genannt werden und hat einen Kohlenstoffanteil von 6,67%.
    • Perlit: Mischgefüge aus Ferrit und Zementit (mit lamellarer Anordnung).


    Betrachten wir wieder unseren Stahl mit 0,8% Kohlenstoff, so sehen wir, dass aus der Schmelze heraus, wie oben schon bemerkt, der "halbfeste" Teig entsteht. Kühlt man den Stahl weiter ab, so ergibt sich unter der Soliduslinie der feste, kubisch-flächenzentrierte Austenit. Bei 723° wandelt sich der Austenit schlagartig in kubisch-raumzentrierten Perlit. Bei dieser Kohlenstoffkonzentration spricht man auch vom Eutektoid (nicht verwechseln mit dem Eutektikum bei 4,3%). Hier ist die Umwandlungstemperatur am niedrigsten und es wandelt sich der Austenit direkt in Perlit um. Es gibt keinen "Umwandlungsbereich".

    Stähle mit weniger Kohlenstoff als 0,8% bezeichnet man als untereutektoid. Hier entsteht bei der Abkühlung zuerst ein Gemisch aus Ferrit und Austenit. Unter 723° liegt nur noch eine Mischung aus Ferrit und Perlit vor. Es gibt keinen festen Umwandlungspunkt sondern einen ganzen Temperaturbereich.

    Stähle mit mehr als 0,8% (nur bis 2.06%, dann ist es Guss) bezeichnet man als Übereutektoid. Hier entsteht bei der Abkühlung zuerst ein Gemisch aus Austenit und Zementit. Unter 723° liegt nur noch eine Mischung aus Zementit und Perlit vor. Es gibt ebenfalls keinen Umwandlungspunkt, sondern nur einen Temperaturbereich.