Moin allerseits,
klar sind aufwendige, handgemachte Messer mit komplexen Verschlusssystemen, neuartigen oder seltenen Materialien und nur in begrenzter Stückzahl produzierte Messer was sehr, sehr feines... aber manchmal können auch die Brot-und-Butter-Messer begeistern.
Mich zum Beispiel derzeit das große Loewen Messer von Lütters. Ein einfaches Arbeitsmesser. Die Firma verkauft Produkte für 'Industrie und Handwerk', also betont nicht schick, keine Sammlermesser, sondern schlichte Gebrauchsmesser. Und ich finde es großartig
Aufmerksam bin ich darauf in Hamburg geworden, wo es immer noch einigermaßen fester Bestandteil der Seebärenausrüstung zu sein scheint - zumindest, wenn sie Landgang haben. Anschauen kann man sich die Loewen Messer bspw. bei Toplicht in HH (keine Werbung, ich fand dort schlicht die Beratung sehr, sehr freundlich und kompetent zudem waren mehrere Exemplare in unterschiedlichen Größen lagernd, so dass man sie alle mal in der Hand halten und vergleichen konnte).
Das Messer gibt's in drei Größen (1040, 1047 und 1038). Ich habe das größte Modell genommen, weil es mir am besten in der Hand lag.
Die nüchternen Fakten:
64 g, geschlossen 10,5 cm, offen 19 cm, Klinge 8,5 cm, Schneide 7,4 cm, Klingenstärke ca. 2,3 mm.
Klinge
Die Klinge ist aus gegossenem Kohlenstoffstahl und eine der ganz, ganz wenigen, die ich nicht gleich nach Kauf erstmal über den Stein ziehen wollte. Sonst gilt das eigentlich nur für Victorinox Der freundliche Verkäufer hat mich beim Begutachten der Messer gleich zu Anfang mit den Worten eingewiesen "Vorsicht, scharf" und eigentlich ist es ein Witz, dass man das bei einem ladenneuen Messer dazu sagen muss, aber er hat halt leider Recht... Ich weiß nicht, wie Eure Erfahrungen sind, aber die meisten meiner Messer kamen 'out of the box' bei weitem nicht so scharf an, wie es hätte sein sollen.
Das Loewen Messer schon.
Ansonsten kann man über die Klinge nicht viel sagen: Ihr steht die pure Pragmatik ins Gesicht geschrieben. Die Form ist nahezu langweilig, aber extrem vielseitig. Der Nagelhau ist groß dimensioniert, aber dadurch sehr praktisch und sicher. Alles ist sauber geschliffen und leicht mattiert. Schon nach den ersten Schnitten verfärbt sich die nicht rostfreie Klinge bläulich und wird mehr und mehr grau. Die Schnitthaltigkeit finde ich bisher sehr ordentlich, sie braucht sich vor meinen Sandvik 12V27 nicht verstecken. Nachschärfen musste ich noch nicht, aber ich nehme an, die Klinge lässt sich gut schärfen.
Griff
Die Beschalung ist aus Bubinga und aus was für einem! Ich bin ein großer Freund von Holzgriffen, weil sie sich einfach gut anfühlen, sicher in der Hand liegen und schon bei minimaler Pflege meist wunderschön altern. In Verbindung mit der Patina einer nicht-rostfreien Klinge kommt da meist schon nach kurzer Gebrauchszeit ein wunderhübsch individuelles Messer bei raus. Die Griffschschalen des Loewen Messers leuchten nahezu in diesem kräftigen und in sich stark gemusterten Rot. Herrlich anzusehen. Und erfreulicherweise tadellos verarbeitet mit perfekter Haptik. Die Unterseite des Griffes hat im hinteren Drittel eine leichte Ausbuchtung, die für meine Hand perfekt Ringfinger vom Mittelfinger separiert und dadurch beim Arbeiten viel Raum für den Zeigefinger lässt, ohne, dass man beim Hantieren der Schneide zu nahe kommt. Die Messingstifte und der zentrale Pin mit Messingscheibe sind perfekt mit dem Griff verschliffen. Und damit wären wir auch schon beim Fit und Finish.
Verarbeitung
Die Verarbeitung ist aus meiner Sicht tadellos und das war bei nahezu allen Modellen, die ich im Laden in der Hand hatte so. Keinerlei Klingenspiel, die Klinge sitzt absolut gerade und liegt zusammengeklappt perfekt mittig im Klingenschacht (letzteres war nicht bei allen Modellen im Laden so). Die Griffschschalen liegen absolut plan auf und haben an keiner Stelle Überstand. Die Rückenfeder liegt tippitoppi und ohne auffällige Spaltmaße zwischen den Platinen.
Zwar gibt es bei aufgeklapptem Messer einen winzigen Absatz zwischen Feder und Klingenrücken, aber das ist kaum erwähnenswert. Die Federspannung ist angenehm straff, aber man muss sich keine Sorgen um seinen Daumennagel machen.
Ein rundum sauber und sorgfältig verarbeitetetes Messer. Scharf ausgeliefert, penibel von Schleifrückständen gesäubert und mit geölter Klinge. Ich bin bekennender Pingel und habe nichts zu beanstanden. Das ist besonders deshalb überraschend, weil es sich bei einem Arbeitsmesser eben nicht um Messer für den Sammler und/oder Liebhaber handelt, das Loewen Messer dennoch sauberer verarbeitet ist, als viele meiner anderen Messer zu deutlich höheren Preisen. Zugegeben, die Platinen sind innen nicht entgratet, aber das ist weder im Gebrauch noch in der Tasche ein Problem, weil die Griffschschalen so sauber und bündig verarbeitet sind, dass man bei geöffneter Klinge absichtlich mit dem Finger über den Klingenschacht fahren muss, um das unangenehm zu merken. Unabsichtlich bin ich bisher nicht in Kontakt damit gekommen. Insofern stellt es aus meinen Augen kein Problem oder gar Mängel dar.
Preis
Also?! Was kost' der Spaß? Meins hat mich knapp 32,-€ gekostet, die kleineren Versionen gibt's für knapp unter 30,- €.
Ich hatte selten mehr Messer für den Betrag und nie mehr Handarbeit, denn SAKs und Opinels werden nunmal größtenteils maschinell hergestellt
Erste Eindrücke
Es ist leicht, vor allem auch für die Größe von geschlossen immerhin 10,5 cm.
Bedingt durch die Bauweise ist es sicherlich nicht zum Hebeln, Hacken oder ähnliches geignet, sondern zum Schneiden - und genau das kann es hervorragend... bereits 'out of the box'. Der Griff liegt ergonomisch in der Hand, hat einen hervorragenden Umfang und das ganze Messer ist sehr gut austariert. Trotz der rundlichen Form bleibt es aufrecht in der Hosentasche stehen - etwas, das bei Laguioles nur Chuck Norris hinbekommen dürfte
Eine Woche Urlaubsküche (weil egal wohin man kommt, in Ferienwohnungen einfach nie scharfe Messer vorhanden sind) hat es bestens gemeistert und bedarf noch keines Nachschärfens. Zum Vergleich: Sowohl die Kohlenstoffklingen meines Opinel als auch meines Douk Douk schaffen das nicht und die 12C27 Klingen meiner Laguioles nur mit Mühe. Da das Loewen Messer allerdings nur ein Viertel der Laguioles kostet, finde ich die Leistung bisher sehr beeindruckend.
Ich denke, wir werden gute Freunde