Wir haben es wieder getan - Witten-ho Tatara 3.0 - Bericht einer besonderen Ofenreise

  • Ich hoffe, die Rubrik stimmt. Andernfalls einfach "verschleppen" bitte.

    So, in der Zeit vom 15. bis 23. Juni 2018 war ich in Witten-Herbede auf der Wiese am Werksgelände des Lohmann-Stahlwerks und habe, zusammen mit Freunden, wieder einen Tatara-Rennofen gebaut und gefahren. Das war nun schon unsere dritte Tatara-Ofenreise in 8 Jahren. Alle Jahre wieder in Etwa zur Fußballweltmeisterschaft.

    Das Team bestand aus 16 Leuten, die aus Belgien, Deutschland, Niederlande, Österreich und Tschechien angereist waren. Alles erfahrene Schmiede und zum großen Teil Leute, die schon beim letzten Mal dabei waren.

    Der von uns in 4 Tagen gebaute Ofen entspricht in den Abmessungen den japanischen Tatara-Rennöfen des späten Mittelalters. Der Querschnitt ist mit den immer noch in Japan gefahrenen Tatara weitgehend identisch. Lediglich die Länge des Ofens ist, wie bei mittelalterlichen Öfen, mit innen ca. 1,5 m geringer.


    Für die Ofenreise standen uns 5550 kg Holzkohle zur Verfügung. Davon waren 4550 kg extra hergestellte Kiefernholzkohle. Der Rest war schwefelfreie Buchenholzkohle, die lediglich zum Anheizen des Ofens sowie zum Herunterfahren verwendet wurde.

    Chargiert wurde der Ofen mit 3140 kg Erz. Zu Beginn wurde eine kleine Menge sehr sauberer Hämatit benutzt, um die Eisen- und Schlackebildung in Gang zu setzen. Anschließend wurden rund 3 Tonnen Magnetitsand eingebracht. Eine Ladung, die durchschnittlich etwa alle 17 Minuten (variierte zwischen 8 und 23 Minuten) eingebracht wurde, bestand aus rund 20 kg Holzkohle und 14,5 kg Magnetit-Erz. Insgesamt dauerte die Ofenreise vom Anzünden bis zum Abstellen der Gebläse 67,5 Stunden. Gearbeitet wurde in 6-Stunden-Schichten von jeweils 4 Leuten.



    Neben der Arbeit des Chargierens des Ofens mit Kohle und Erz mussten ständig die 18 Zuluftöffnungen kontrolliert und gegebenenfalls gewartet werden, was angesichts der hohen Temperatur der Ofenwand und der oft herunterschlagenden Flammen eine schweißtreibende Arbeit war. Schlackeabstiche gab es in Etwa ab Stunde 12 regelmäßig, wobei der Ofen selbst seinen Rythmus bestimmt und Schlacke fast mit der Viskosität von Wasser laufen lässt, wenn es erforderlich ist. Hin und wieder wurde dabei lediglich etwas mit einer Brechstange die entstandene Öffnung in der Verglasung erweitert. Insgesamt wurde etwa eine Tonne Schlacke abgestochen, die sich bei einer vor Ort vorgenommenen Analyse erfreulich eisenarm zeigte, was auf ein gutes Ergebnis hoffen ließ.



    Nach gut 67 Stunden wurde schließlich, nachdem die letzte Holzkohle aufgebracht und der Ofen noch eine Weile mit Wind lief, ein letzter Schlackeabstich herbeigeführt. Anschließend wurde die Zuluft abgestellt, alle Öffnungen verschlossen und der Ofen mit der darauf befindlichen Kohle ausbrennen gelassen. Am folgenden Morgen wurde dann mit größerer technischer Hilfe der Ofen abgerissen und die Luppe geborgen. Diese wurde abschließend auf einer Presse zu Stücken verarbeitet, die auch von einem Mann (mit Mühe) getragen werden können



    Ein abschließendes Wiegen ergab, dass die von uns erzeugte Luppe, befreit von allen Schlacken und Holzkohlen, runde 800 kg auf die Waage bringt, was bei dieser Art von Ofen und der eingesetzten Menge ein Ergebnis ist, das alle Erwartungen übertrifft. Alle Beteiligten waren dann schließlich auch dementsprechend sehr zufrieden wie man sehen kann.

    Für weitergehende Fragen zu den Details stehe ich natürlich gerne zur Verfügung.

    Einmal editiert, zuletzt von Nordwind (30. Juni 2018 um 13:40) aus folgendem Grund: Bilder nach Rücksprache mit Achim, auf unseren Server geladen.

  • Whow, Achim! Ganz an den Wurzeln - absolut beeindruckend! Das muss zutiefst befriedigend sein, sogar die Basis, den Kern unserer Arbeit selbst herzustellen. Du siehst mich tief beeindruckt!
    Beste Grüße,
    Rainer

    Blaupfeil - the sky is the limit..

    1-participant.jpggentleman-messer-contest-champion.jpgaxt-gold.jpgwanderer1.jpg

  • Servus Achim,

    vielen Dank für Deine Schilderung und die Bilder, wirklich sehr beeindruckend. Auch wenn ich selber nur wenig beitragen könnte, wäre ich gerne einmal bei so einer Ofenfahrt als Gast dabei.

    Viele Grüße
    Walter

  • Hallo Achim !
    Danke für den Bericht und die beeindruckende Fotodokumentation .Gestatte mir als Unwissenden über diese Materie ein paar Fragen. Zur Frischluftzufuhr : Geschieht das über einen Blasebalg, oder ein Gebläse ? Wie ist die Zusammensetzung der Luppe , Kohlenstoffgehalt usw. Könnte man aus dem Rohstoff eine Klinge schmieden und härten ?
    Gruß aus Niederbayern ! :beer: (Franziskaner Weiße ) Ewald.

  • So ein Riesenofen braucht sehr viel Luft. Da müsste man eine ganze Batterie Blasebälge aufbauen. Wir haben ein Gebläse benutzt, das eine Maximalleistung von 25 m3 pro MINUTE aufweist. Das brauchten wir zwar nicht ganz, aber immerhin.

    Der gewonnene Stahl ist selbstverständlich, nach ein paar Falt- und Schmiedevorgängen, problemlos für Klingen zu gebrauchen. Dafür wurde er schließlich gemacht. Das Material ist extrem sauber und besteht eigentlich, bis auf Spuren, nur aus Eisen und Kohlenstoff. Silizium 0,06 %. Mangan 0,0045 %. P und S jeweils maximal 0,01 %. Kohlenstoffgehalt naturgemäß stark schwankend. Die zuletzt reduzierten Stücke hatten ja keine Zeit zum Aufkohlen. Am anderen Ende geht es quasi fast bis zum Gusseisen. Die giten Mittelstücke haben fast durchgehend um die 1 bis 1,3 %. Und davon gibt es viel.

  • Achim - Ihr seid verrückt - aber das im positiven Sinn.
    Was für eine tolle Leistung, diese Menge Stahl herzustellen.
    Ich bin tief beeindruckt :thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    Gruß Andree

  • Hallo Achim
    Wow, danke für den sehr interessanten Beitrag.
    Das ist echter Wahnsinn, einen so grossen Ofen zu bauen und zu fahren. An der gewonnenen Menge Stahl, sieht man, dass du/ihr wisst, was ihr da macht. Meine Hochachtung!
    Den Grundwerkstoff für ein Messer oder was auch immer selbst herzustellen, ist dann wohl die Königsdisziplin.
    Bei sowas währe ich auch gerne einmal dabei, sehr interessant.

    Besten Dank und Gruss

    Heiri

  • Hallo Achim !
    Danke für die lehrreichen Antworten ! So einen Aufwand zu betreiben da gehört schon eine große Portion Individualismus und Spaß an dem Ganzen dazu. Respekt an das Team und zu dem Ergebnis . :mrburns:
    Gruß aus Niederbayern ! :beer: (Franziskaner Weiße ) Ewald.

  • Hallo Achim,
    da bleibt der Mund offen. Solch ein Aufwand kann nur der verstehen der auch Leidenschaft für den Stahl empfindet und dass sind sicher viele hier im Forum.
    Eure Zeitreise wurde ja zumindest mit dem Ergebnis belohnt. Schön dass auchJugend dabei war, die sicher in der Zukunft davon bertichten kann.
    Danke für die Mühen beim Schmelzen und beim Berichten darüber.

  • Hallo Achim,
    ich habe das in einem "sozial network" jeden Tag verfolgt und ich bin immer noch beeindruckt.
    Wenn ich den Zeitablauf und den gesamten aufwand betrachte ist es mir nicht erklärlich wie unsere "Altvorderen" das mit "try and error" hinbekommen haben.
    Das soll jetzt nicht Deine Leistung schmälern aber ich würde gerne Wissen wie viele Jahre es wohl gebraucht hat bis ein reproduzierbares Ergebnis erfolgt ist.
    Ich finde diese Arbeiten mehr als spannend. Das sollten sich mal einige Schulklassen ansehen.
    Walter

    ...bleiben sie ruhig, ich hole Hilfe...

  • Tja. Ich erinnere mich an der ersten Tatara 2010. Da sollte eine Gruppe Metallurgiestudenten samt Professor der benachbarten Ruhr-Universität Bochum, die man quasi vom Ofenplatz aus sehen kann, kommen und etwas mithelfen. Aufgetaucht ist niemand von denen. Leider. Sie hätten ja was lernen können.

  • wenn ich dass lese frierts mir...Vielleicht hättest Du sagen sollen dass für diesen Ofenprozess eine App entwickelt wird und ausreichen Mädchen da sind. Achso, natürlich auch kostenlose Getränke.
    Sie haben etwas verpasst! Du wirst Dich darüber nicht ärgern und ihr habt sicher ausreichen Spass gehabt.