DIY Heissbrünierung (Black Oxide) -ungefährlichere Methode

  • Heissbrünierung wurde hier im Forum ja schon mal hier Vorgestellt. Die "traditionelle" methode ist das Werkstück in konzentrierter Lauge mit nitritzusatz bei 130-140°C zu kochen. Das war mit zu gefährlich da konz Lauge zum "stoßen" neigt und auch Wasserverluste bei diesen Temperaturen nicht einfach ersetzt werden können. Nen spritzer konz. Lauge ins Auge - und man ist evtl blind....

    Also hab ich mich nach alternativen umgeschaut und bin auf das patent US3920486A gestoßen. Das erschien mir sowohl praktikabel als auch wesentlich sicherer ,da zum einen nur temperaturen von max 95° zum Einsatz kommen und zum anderen die Chemie in den benötigten Konzentrationen ungefährlich ist.

    Bevor ich nen Messer als Versuchsobjekt benutze wollt ich natürlich erstmal wissen ob das wirklich so funktioniert wie angegeben und hab deshalb als Vorversuch erstmal nur ne Carbonstahl Cutterklinge mit der Lösung behandelt. Heißbrünierung funktioniert nur mit Carbonstählen nicht mit Rostfrei!

    Das Resultat sieht man hier:


    Verwendet wurde das Rezept basierend auf "Example 1" aus dem verlinkten patent. in einer 1%igen Ammoniumnitratlösung mit 250milligram/L Chlorat in aqua dest wurde die cutterklinge bei 95°C für 30min behandelt.
    Die ersten 10min passierte erstmal nix, dann fing die klinge an sich langsam zu schwärzen. Die Lösung nahm dabei ne leicht rostfarbene Färbung an.

    Das Resultat ist schon mal ganz gut, die Beschichtung ist dunkel, haftfest und auch recht kratzfest. Ein Nagel hinterließ oberflächlichen abrieb, aber die Beschichtung wurde nicht beschädigt.Deutlich besser als Kaffee, Senf, FeCl3, Essig etc etc.
    Die Beschichtung besteht , wie bei der traditionellen Laugenmethode aus schwarzem Eisenoxid als Magnetit (Fe3O4) Wie alle anderen Magnetitbeschichtungen (black oxide)ist der recht beständig - aber leider nicht gegenüber Säuren. Heißt als Eisenoxid ist das zwar "Foodsafe" , aber zum z.b. Zitronenschneiden nicht geeignet. also für den dauerhaften Einsatz bei Küchenmessern eher nicht geeignet es sei denn man schneidet hauptsächlich eher säurefreies zeug. für ein EDC messer mit dem man mal ne Jause zubereitet aber gut geeignet.

    Man sieht dass die Beschichtung leicht unregelmäßig/fleckig ist - das führe ich Hauptsächlich auf mangelnde Vorbereitung bezgl Entfettung zurück,bzw betatschen ohne Handschuhe(am ende mit dem loch). Anders als die traditionelle Laugenmethode wirkt die Lösung nicht entfettend und man sollte wohl peinlich genau drauf achten dass das Werkstück entsprechend gründlich entfettet und oxidfrei ist.

    Alles in allem bin ich mit diesem Vorversuch schon recht zufrieden, das scheint wirklich so zu funktionieren wie im Patent angegeben. Die Hauptvorteile sind zu einen die im vergleich zur Traditionellen Methode niedrigeren Temperaturen und eine geringe konz. von ungiftigen Chemikalien. Wenn man die Nase genau drüberhielt konnte man währenddessen nen ganz leichten Geruch nach Ammoniak feststellen, eine größere Geruchsbelästigung war jedoch nicht zu verspüren.

    Das verfahren ist einfach und günstig durchzuführen.

    Anmerkungen: Ammoniumnitrat fällt unter das Chemikalienverbotsgesetz, da es als Explosivgrundstoff gilt und böse menschen mit größeren mengen viel Unheil anrichten können. Abgabe an privatpersonen ist deshalb geregelt bzw nur mit Genehmigung. Andererseits findet sich das als Kalkammonsalpeter Düngemittel bei jedem Bauer und wird tonnenweise auf unsere Felder ausgebracht. Ich verfüge aufgrund meines Studiums zwar über die Voraussetzungen nach §6 bezgl Sachkunde um das Zeug zu bestellen, in diesem Fall war die Quelle aber -auch rein schon aufgrund des preises bei Laborchemikalien- der Bauer nebenan, der mir Freundlicherweise eine Kleinmenge Dünger überließ nachdem ich ihm meine beabsichtigte Verwendung erklärt habe. Die benötigten Mengen sind mit einer 1%igen wässrigen Lösung nun wirklich gering und ungefährlich, man sollte aber als Privatperson davon absehen das zeug als Grundstoff gleich säckeweise bei sich zu lagern, das könnte evtl fragen nach sich ziehen...

    Soweit so gut, werd mal ein update bringen wenn ich die erste "richtige" Klinge damit geschwärzt hab.

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  • Hallo,

    danke, dass du uns an deinen Erfahrungen mit dieser Methode teilhaben lässt! Wirklich sehr interessant! :thumbup:
    Spannend wäre aus meiner Sicht auch noch, was tatsächlich passiert bzw. wie es sich verändert, wenn du mit der Cutter-Klinge mal ne Zitrone durch schneidest. Vielleicht könntest du dazu noch ein kurzes Follow-Up geben.

    Danke & Lg
    Dieter

  • Angeregt von dieters beitrag hab ich mal eine kleine versuchsreihe gestartet. Ich weiss ja selbst nicht genau wie sich das jetzt verhält. Völlig unwissenschaftlich natürlich.einfach mal schnell mit der handykamera unter suboptimalen lichtverhältnissen geknipst, sorry.

    Zuerst mal mit beiden eine zitrone zerteilt, keine grossartige veränderung, in sekunndenschnelle löst sich die beschichtung im kontakt mit zitronensäure jedenfalls nicht auf.

    da ich keinen sack voll zitronen da hab wurden die beiden klingen einfach jetzt für ne gewisse zeit mit den zitronenhälften abgedeckt für dauerkontakt mit der zitronensäure.

    Nach 30min zeigt die brünierte klinge leichte aufhellungen im spitzenbereich.

    Nach einer stunde ist die beschichtung deutlich angegriffen und im einwirkungsbereich der Zitrone nur noch hellgrau statt schwarz.


    Fazit: Das Resultat ist wie erwartet, kurzzeitiger kontakt macht nix aber längere einwirkung löst die beschichtunng dann auf. das verwundert nicht, da zitronensäure ja auch als rostentferner dienen kann und eisenoxide löst. die beschichtung besteht aus magnetit Fe3O4 = auch ein eisenoxid, halt eine form von "Edelrost" sozusagen. das erklärt auch warum auf der unbeschichteten klinge fast nix zu sehen ist, direkt nach dem entfernen der zitrone war der verbleibende saft zwae rostfarben ließ sich aber einfach abwischen. jeglicher rost der sich da bildete wurde durch die zitronensäure gleich in die lösliche form überführt.


    Hier noch mal ein bild zur kratzfestigkeit der beschichtung. man sieht dass sowohl ein messingstab alsauch ein kupferstab nur abrieb hinterlassen, die beschichtunng wird nicht durchgekratzt. bei nem nagel ist das ähnlich - sieht aber dann so aus als wäre die beschichtung durch deshalb hier mal mit messing/kupfer. natürlich ist es möglich die beschichtung auch mechanisch zu beschädigen mit genügend viel druck kratzt man da auch durch aber im vergleich zu kaffe, senf fecl3 etc ist die beschichtung doch deutlich härter.


    Der eigentliche Zweck einer solchen brünierung ist ja den rost etwas zu bremsen deshalb wurden die beiden jetzt in eine gesättigte salzlösung gestellt - mal sehen wie sich das nach einiger zeit zeigt. völlig vor rost schützt auch eine brünierung dieser art NICHT -sollte das einsetzen aber deutlich verzögern gegenüber unbehandeltem stahl. Moderne beschichtungen wie DLC, Tenifer-Q oder div PVD/CVD beschichtungen sind da deutlich überlegen, keine frage. Die kann man aber nicht mal eben schnell zu hause machen.....

    soweit so gut erstmal....

    .

  • Das finde ich so richtig klasse!
    Du beschäftigst dich mit einer spannenden Materie, gräbst alte Patente aus und probierst sie - und teilst Deine Erfahrungen mit der Community. Mit großem Interesse verfolge ich Deine Beiträge!
    Auch Dein hands-on Versuch mit den Zitronen ist sehr anschaulich.
    Danke dafür!
    Beste Grüße,
    Rainer

    Blaupfeil - the sky is the limit..

    1-participant.jpggentleman-messer-contest-champion.jpgaxt-gold.jpgwanderer1.jpg

  • Danke rainer, mir geht es jetzt im sommer ein bischen auf die Nerven dass einige meiner Carbonstahl EDCs doch recht schnell einen rostansatz zeigen, man schwitzt auf der arbeit einfach viel :D und das feuchte milieu bekommt denen nicht.
    Ich hab schon früher mit manganphosphatierunng experimentiert, das kann man auch selber machen - ist aber eben nicht "foodsafe" Die herkömmliche Heißbrünierung war mir zu heikel - also mal was anderes gesucht was beide kriteria erfüllt und problemlos umsetzbar ist... Bis jetzt sieht das gut aus -mal sehen wie schnell das jetzt rostet im vergleich zu unbehandelt. Eine performance wie eine moderne High-End beschichtung erwarte ich wie gesagt nicht - aber ne deutliche verbesserung gegenüber dem istzustand.

  • Hallo Ralph !
    Danke für Deinen interessanten Beitrag . Hab bisher immer eine Kaltbrünierung von der Fa. Ballistol verwendet .Bin nicht der große Chemiker aber das Zeug ist
    Selendioxydhaltig und außerdem nicht ganz billig . Dein Versuch wäre eine günstige Alternative. :jo:
    Gruß aus Niederbayern ! :beer: (Franziskaner Weiße ) Ewald.

  • Servus Ralph,

    vorab, ich habe in der 'christlichen Seefahrt' und unserem getauchten Equipment natürlich immer irgendwie
    mit Korrosions - Schutz, meist professioneller Natur, zu tun, und habe Deinen Beitrag mit Interesse gelesen.

    Ganz am Anfang Deines Beitrags schreibst Du, dass konzentrierte Lauge zum 'Stoßen' neigt.

    Meinst Du damit den sogenannten Siedeverzug, oder etwas anderes?

    Viele Grüße, schöne Woche,
    Rudi

  • @ Rudi
    ja, genau, mit "stoßen" meine ich den Siedeverzug. Bei temperaturen oberhalb von 100° wie da benötigt wird das keinesfalls besser.... =O

    Das resultat nach fast 2 tagen in Salzwasser. Um ähnliche bedingungen wie auch normalerweise beim edc zu haben (das wird auch mal geölt) wurden beide klingen leicht eingeölt unnd trockengewischt vor dem salzwasser. Die unbehandelte klinge zeigt deutliche rostspuren während die behandelte , da wo die beschichtung intakt ist keine rostansätze zeigt. An der spitze wo bereits vorher die zitrönensäure die beschichtung weggefressen hat ist auch hier rost zu sehen. Die waren nicht komplett untergetaucht die "Wasserstandslinie" ist bei beiden zu sehen. Fazit: funktioniert.

  • Hallo Ralph

    Für mich sehen deine geschwärzten Klingen so aus wie die schwarzen OLFA Klingen aus Carbonstahl.
    Meiner Meinung nach halten die nicht wirklich länger, als die normalen, dafür rosten beide an der Schneide gleich gut.

    Vielleicht machen die in Japan dasselbe mit der Klinge wie du und nehmen noch ein kleines Extra beim Preis mit ;)

    Ich freue mich schon auf die Bilder von deinem ersten so behandelten selbstgebauten Messer.


    Grüsse vom Bodensee

    Endre