SPYDERCO TROPEN C237GP, ein Bürgerschreck

  • Servus,


    Spyderco Tropen, ein Bürgerschreck..... :nvdk:


    in der Regel stehe ich ja eher auf dezente und sozialverträgliche Messer. Diesen Bürgerschreck zu kaufen war ein reiner Impuls. Geöffnet lässt er unbedarfte durch sein Design und seine Größe erschaudern. Geschlossen erkennt der geneigte Messerfreak wie durchdacht hier Form, Design und Mechanik in exzellenter Verarbeitungsqualität auf einen Nenner gebracht wurden.

    Spyderco/Javier Vogt haben da ziemlich viel reingepackt, eigentlich alles was in DE verboten ist und dem Folder gleich drei Öffnungsmechanismen spendiert. Kann man alles nachlesen und wer noch keinen Compression-Lock bedient hat, sollte das tunlichst nachholen. Auch die Flipperei ist schwer zu toppen, da braucht’s keine Federunterstützung um aus dem Heft zu flutschen. Die Klinge lagert auf "Bearingball washern" und flippert unglaublich weich und geschmeidig aus dem Heft. Dieser Folder befriedigt Spieltrieb auf einmalige Weise. Die Verarbeitung ist wie vom Werk in Taichung gewohnt, erstklassig, trotzdem setzen die polierten G10 Schalen noch Einen oben drauf.

    Ich habe den Folder nach dem Kauf ins Ultraschalbad gelegt, um jeden noch so kleinen Abrieb zu lösen und auszuschwemmen. Viel an Verschmutzung hat sich nicht gelöst, dass spricht für eine sehr saubere Fertigung und Endkontrolle. Einzig das Achsschräublein wirkt ein wenig unterdimensioniert. Zerlegen wollte ich es nicht, weil alles so sauber funktioniert. Wenn eine Grundreinigung mal von Nöten ist, hole ich das nach und mache ein paar Bilder.

    Ein Coil muss ja sein, hier eben zu 100% im Heft. Die speziellen Washer schimmern gülden, wenn man vorne reinschaut, die Klinge steht mittig im Heft, kein Klingenspiel. Interessant ist, das der Emersonhaken auch als half-stop bei 90° dient. Der schlägt nämlich an den Zeigefinger der den Lock zum Öffnen drückt und verhindert, das die Klinge in einem Zug im Heft verschwindet. F&F ist gewohnt sauber, da gibts nicht zu klagen. Das Hole ist kleiner als der übliche Standard bei dieser Klingenlänge, dass Design hat keine größeren Durchmesser zugelassen, öffnen lässt sich das Messer damit dennoch. Für mich ist das Flippen der zentrale Opener, die anderen Möglichkeiten sehe ich als Beigabe. Kann man natürlich auch anders sehen.

    Der Emerson-Haken dient auch als Ablage für den Daumen, da lässt sich gut Druck aufbauen. Den Haken habe ich gedanklich gleich zu Beginn abgeschliffen und so mehr Harmonie an die Oberseite des Messer zu bringen. Das mag sogar recht nett ausschauen, aber zwei Funktionen sind dann futsch. Ich habe keine Daumenauflage mehr, sondern optisch eine Schleifkerbenoptik an der Klingenoberseite und die Öffnungsfunktion durch den Haken beim Ziehen aus der Hose ist nicht mehr. Da finde ich das optisch zu kleine Hole als die unnötigste der drei Öffnungsmöglichkeiten.

    Das polierte G10 ist wirklich eine Augenweide und haptisch angenehm aber funktionell zu glatt. Das Messer erzeugt keinen Moment ein griffiges und sicheres Gefühl, wenn es nicht wie auf dem Bild gegriffen wird.

    Der Clip wurde augenscheinlich nicht ins Messerdesign integriert, sondern aus dem Regal genommen und dran geschraubt und so schaut das auch aus.

    Das dieses Spyderco polarisieren wird war mir vom ersten Anblick an völlig klar. Hier bestimmen der Haken und der Flipperfortsatz die Messermitte, da kommt man im/mit Design nicht an der Funktion vorbei.



    Hier die Specs; ( Quelle Selected Knives )

    Klingenlänge: 10,2 cm
    Klingenstärke: 3,5 mm
    Gesamtlänge: 23,2 cm
    Klingenstahl: CPM S30V
    Gewicht: 119 g

    Jetzt dürfen wir gespannt bleiben, wie sich das verkauft und ob es im Portfolio bleiben wird und kommendes Jahr als leichte FRN-Version oder mit anderen Schalen wieder auftaucht. Glauben tue ich es nicht, da ich den Auftritt ziemlich exotisch finde und an eine Massentauglichkeit nicht glaube, aber was weiß ich schon.

    Wenn ich mal wieder eine Schleifsession mache und Mikro, Schleifzeugs und Notebook aufbaue, dann liefere ich noch Bilder zum Schliff nach, aber makroskopisch schau das sehr ordentlich aus und die letzten Spyderco’s die ich unter dem Mikro hatte waren alle gut geschliffen. Das es ein Flachschliff mit V-Fase ist, sieht man eh.

    Was sich halt immer empfiehlt, ist das entfernen der meist groben Riefen an der Schneidfase die oft bis in die Schneidenspitze reichen und dort zwar für ein bissige „Säge“ sorgen, die aber gleichzeitig der Nährboden für Mikroausbrüche sein kann. Wer den Bereich an und um die Schneidespitze mit höher Progression verfeinert, bekommt eine geschlossene Schneide, die deutlich resistenter gegen Mikroausbrüche oder gröbere Schäden ist.

    Als Beispiel darf ich eine kollabierte SB1 Schneide zeigen, die durch einen seitlichen Overgrind und groben Bandschliff eingebrochen ist.

    Zuerst die plastischen Verformungen:

    Dann die Ursache für Mikrochip und seitlichen Overgrind:

    Und hier die kollabierte Schneide durch seitlichen Overgrind: Man sieht, dass versucht wurde mit feinerer Körnung die Schneide zu glätten. Erst unter dem Mikro ist der Schaden als solcher erkennbar und man kann weitere Folgeschäden verhindern in dem man die Defektschicht entfernt.

    Hier das reparierte Ergebnis bis 5k (5000 Grit) geschärft: Die Schneidenspitze ist deutlich feiner geworden, aber auch mit 5k noch nicht völlig geschlossen.

    Die Mikrobilder dienen zum besseren Verständnis meiner Beschreibungen wie Schneidfasen beschaffen sind, die maschinell geschliffen werden.

    Die Watendicke vom Tropen hab ich nicht gemessen, wird aber wie üblich über 0,50mm liegen. Ist mir bei dem Messer nicht so wichtig, ist ja nur zum Spielen und Bürger erschrecken gedacht.

    Danke für’s lesen.

    Gruß,cato

    Nichts ist gelber als das Gelbe selber. :D

  • Vielen Dank auch für dieses exzellente Review, Cato.

    Das Tropen ist ein Spyderco, das mit Sicherheit polarisieren wird.
    Tragen würde ich´s nur in einem doppelt sichtgeschütztem und verriegelten Container, allein der vermutlich hohen Konfiszierungsrate wegen.
    Beeindruckend finde ich allein schon die drei Öffnungsfunktionen, die technisch und stilistisch imho sehr gut umgesetzt sind, obwohl mir der Emerson-Wave fast schon overdone erscheint. Aber ich denke, hier geht es weniger um den Sinn des Ganzen als vielmehr zu demonstrieren, was alles geht.
    Das polierte G10 sieht hammermäßig aus und erinnert mich an den Subhilt. Top! Weniger gut umgesetzt ist allerdings der Clip samt Befestigung. Schade, das trübt die ansonsten konsistente, etwas futuristische Umsetzung.

    Am besten gefällt mir an Deinem Review aber der Ausflug in Region der potentiellen Microausbrüche, wenn die Schneide zu grob am Band geschliffen worden ist, samt des Tipps, den vorderen Schneidenbereich bis zur Spitze zu verfeinern, um solche Ausbrüche zu vermeiden.
    Die Makros demonstrieren das auf hervorragendste Weise.

    Für Beides gibt´s nur eins: :thumbup::thumbup::thumbup:

    Beste Grüße
    Axel

  • Einige Spyderco-Modelle sind auf den ersten Blick nicht gefällig, aber stets sehr funktionell.
    Daran scheiden sich die Geister, aber das macht Spyderco auch nach wie vor spannend.

    Fein verarbeitet ist das Tropen zweifelsfrei und Spaß kann man damit sicher auch haben.
    Nachdem ich aber auch längere Zeit das Szabo als EDC dabei hatte, finde ich es mit seinen gut 10cm Klingenlänge
    gar nicht soooo "schröcklich". Aber die Klingenform mit den hochgezogenen Flanken verspricht Schnittigkeit
    und in Kombination mit Deiner Schärfeperformance ist es sicherlich ein toller User.
    Einzig der Clip wird von Dir zu recht kritisiert. Der stand wohl auf der "To Do Liste" als letztes drauf und wurde eben mal schnell
    abgehackt. Da hätte man sich eine schönere Gesamtlösung einfallen lassen können.
    Dafür sind wenigstens auf der Showside keine Proformalöcher für den Clip angebracht und so kommt das schön polierte G10 hier ungestört zur Geltung.

    Danke für die Mühe von Bild und Wort plus der tollen Microaufnahmen.
    Ein sehr interessanter Beitrag ......

  • Servus,

    da wieder ein paar neue Messer angekommen sind, habe ich Mikro und Notebook aufgebaut um wie immer die Schneiden zu begutachten. Das Tropen hab ich auch gleich hergenommen um zu schauen was in Taichung so geht. :D

    Ist jetzt insgesamt nicht so schlecht, makroskopisch eigentlich gar nix nachteiliges zu erkennen.Auch unter dem Mikro vorerst alles ganz sauber gemacht. Erst wenn man weit vergrößert sieht man den Klassiker aller Probleme bei maschinellem Schliff. Die tiefen Schnitte vom groben Schleifkorn, die bis in die Schneidenspitze schneiden und so eine ungewollte "Säge" erzeugen, die eine jeden Schneidenspitze frühzeitig instabil macht, verformt, zu Ausbrüchen führt und kollabiert. Auch sieht man die wellige Schneidenspitze recht gut.

    Hier der erste Blick auf den Zustand, man sieht leichte plastische Verformungen:

    Hier die Schneide an sich ganz ok:

    Jetzt mal tiefer geblickt:

    Und jetzt die Schneidenspitze: Leider werden durch die Details die Dateien immer größer und werden hier nicht mehr direkt eingebunden.

    Ich denke man kann gut erkennen, was gemeint ist. Erst wenn man das gesehen und geprüft hat, dann kann man je nach Anwendervorhaben umschleifen und Folgeschäden vermeiden. Wenn man einmal überlegt wie oft man so manchem Stahl negative Eigenschaften angedichtet hat, weil er eben mit solchem Schliff hart benutzt wurde, ohne die Klinge darauf richtig vorzubereiten!

    Heute hat bei passendem Schliff auch ein VG10 an Schrecken verloren, dem immer wieder eine Tendenz zum Ausbrechen nachgesagt wurden. Alles halb so wild, wenn man nachschaut und korrigiert. ^^

    Gruß, cato

    Nichts ist gelber als das Gelbe selber. :D

  • Nochmal vielen Dank für die Veranschaulichung, was ein zu grober maschineller Schliff/Schleifkorn anrichten kann respektive welche Folgeschäden da vorprogrammiert sind, sofern man die Schneide nicht nachbehandelt.
    Ich frage mich ernsthaft, warum hier herstellerseitig nicht mehr Sorgfalt obwaltet, zumal die Messer ja nicht gerade zu den Billigsten gehören.


    Wenn man einmal überlegt wie oft man so manchem Stahl negative Eigenschaften angedichtet hat, weil er eben mit solchem Schliff hart benutzt wurde, ohne die Klinge darauf richtig vorzubereiten!

    Sehr richtig. Das gehört bei jeder Stahldiskussion vor die Klammer.

    Schönes Wochenende
    Axel

  • Servus,

    in vielen japanischen Manufakturen/Schmieden ist es Usus, dem Käufer den ersten Schliff zu überlassen um das Messer auf die vorgesehene Aufgabe vorzubereiten. Zu Beginn meiner Kontrollen habe ich mich oft über den sorglosen Schliff vieler Hersteller geärgert und da waren auch anerkannte Größen dabei, aber ich garantiere dir, dass du für völlig verrückt erklärt wirst, wenn du eine augenscheinlich makroskopisch tadellose Schneide unters Mikro legst und dann mit Mikrobildern reklamierst. :D Die Kontrolle und Begutachtung einer Schneide unterm Lichtmikroskop ist eine individuelle Sache ohne Handhabe oder allgemeiner Akzeptanz. Das Feine daran, jeder kann sich das Equipment kaufen, seine Schneiden anschauen und selber nachprüfen, wie sich das auswirkt und zwar vor und nach Entfernung der Defektschicht und dem entsprechend seine Klingen in Zukunft vorbereiten oder es sein lassen. ;)

    Gruß, cato

    Nichts ist gelber als das Gelbe selber. :D

  • Leider werden durch die Details die Dateien immer größer und werden hier nicht mehr direkt eingebunden.

    Doch, das geht .... ;)
    Habe das Bild gerade ohne Probleme eingebunden. Dein Bild ist nur 180kb groß und daher völlig unproblematisch.

  • Hallo Cato,
    Interessantes Messer - und eine gute Vorstellung. Auch mich haben Deine Ausführungen zur Schneidkantenbeschaffenheit besonders angesprochen. Hast Du einen link zum eingesetzten Mikroskop? Vielen Dank!
    Beste Grüße,
    Rainer

    Blaupfeil - the sky is the limit..

    1-participant.jpggentleman-messer-contest-champion.jpgaxt-gold.jpgwanderer1.jpg

  • Servus,

    Hallo Cato,
    Interessantes Messer - und eine gute Vorstellung. Auch mich haben Deine Ausführungen zur Schneidkantenbeschaffenheit besonders angesprochen. Hast Du einen link zum eingesetzten Mikroskop? Vielen Dank!
    Beste Grüße,
    Rainer


    gerne: KLICK

    Gruß, cato

    Nichts ist gelber als das Gelbe selber. :D

  • Servus,

    kleines Update.

    Ich hab den "Baukastenclip der ziemlich lieblos auf das Messer geschraubt wurde, gegen einen Spyderco Deep Carry Titan-Clip von MXG GEAR getauscht. Der gefällt mit besser, hat weniger Spannung und das Messer sitzt jetzt bei einer dunklen Hose nahezu unsichtbar. Vielen Dank nochmal an den Verkäufer. ;)

    Vorher:

    Jetzt:

    Gruß, cato

    Nichts ist gelber als das Gelbe selber. :D

  • Hallo cato,

    in der Tat, der Deep Carry Titan-Clip passt sehr gut zu dem Messer und fügt sich in die Linienführung deutlich besser ein als der lieblos an das Messer drangebaute Standardclip. Manches Mal ist es schwer nachvollziehbar, wie Spyderco ein tolles und innovatives Design so verhunzen kann. Bestes Beispiel dafür ist auch das neue Smock...


    Beste Grüße
    Axel

  • Hallo cato,
    diese Clipänderung ist wirklich gelungen. Optisch auf alle Fälle und wenn dadurch die Spannung am Hosentaschenrand das Handling verbessert, auch funktional.
    Dunkle Hose dunkler Clip macht auch Sinn. Diese Anpassung gefällt mir gut.
    Beste Grüße

    Die Hand voller Asse
    .......aber das Leben spielt Schach.

  • Hallo zusammen,

    Bin neu hier, sammele AUSSCHLIEßLICH Spydercos (mit Ausnahme einiger MultiTools/SAKs). Besitze inzwischen 37 Spydies, Nummer 38 und 39 sind unterwegs. Mit den beiden Neuen werde ich dann 36 verschiedene Stähle (Stahle?) akkumuliert haben. Und Spydie #39 wird das erste Design sein von dem ich dann zwei habe, sonst besitze ich (noch!) keine Doubletten.

    Das Tropen ist NICHT dabei, denn von S30V hab ich schon vier Spydies (Szabo Folder, Smock, Ikuchi, Hanan). Dabei SCHREIT das Tropen nach mir! Groß, extravagante Klingenform, KEIN lightweight FRN (igitt), Flipper, CompLock - gehört Alles zu meinen Favoriten-Faktoren. Irgendwann werde ich schwach, dss steht fest.

    Danke für die 1A Vorstellung! Sie macht es nicht einfacher noch zu widerstehen. Insgeheim hoffe ich darauf dass das Tropen "discontinued" und dann zum Schnapper wird, wobei das für das Design super schade wäre. Es gibt aber zumindest im Spyderco Forum einige die das Messer zu strange looking fanden, und Andere die sich daran störten dass von der Schneide ein Millimeterchen oder so im Ausschnitt für den Compression Lock fühlbar ist (akute Lebensgefahr!!). Möglich dass das ein frühes Ableben des Designs befördert. Spätestens dann schlage ich zu!!

    Ach ja, und dann bekommt es bei mir definitiv einen schmucken Deep Carry Clip. Der Spyderco Hour Glass Clip geht beim Tropen ja echt garnicht...

    Man liest sich!

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    Michael
    ... der der nur Spyderco Messer sammelt...