Ein personalisiertes 14c28N 260er Gyuto

  • Servus,

    hier sind ja viele Hobbymessermacher vertreten, die sich auch erfolgreich an Kochmessern versuchen. Vielleicht dient mein folgender Beitrag ein wenig zur Inspiration.

    Uwe Mattern ist ein kleingewerblicher Messermacher und hat mir nach langen Brainstorming ein Kochmesser aus 14c28N kompromisslos auf „Funktion in meinen Händen“ gebaut. Geometrisch vorne einem Skalpell gleichend und nach hinten raus ein sich langsam aufbauender und stabiler werdender WH-light Charakter ohne in die Regionen der wirklich wuchtigen Spalter zu kommen. Manche mögen das scharf abgegrenzte Knacken beim Trennen von hartem Schnittgut und wollen das auch spüren, ( einige Köche haben mir das bestätigt ) wenn sie eine fette WH-Klinge durch das Schnittgut treiben. Bei mir, der ich von den Lasern komme, die über die gesamte Schneidenlänge leicht schneiden, darf es beginnend so nach dem Ersten vorderen 1/3 ein knappes „ratsch“ machen, dass nach hinten raus als ein immer länger werdender Ton zu hören ist und dann rollt der harte Abschnitt einfach zur Seite. Ich bin da halt sehr eigen. :D Vorne muss das durch eine halbierte Möhre flitzen, als würde nur Luft geteilt. Eine feine Spitze die viel Gefühl und Spielraum im Detail bietet und ein mit „Rundlauf“ ausgestattetes Profil. Kein hartes knallen, wenn der Kehl am Brett abrollt. Die Klinge ist wirklich tricky geschliffen, asymmetrische Flankengeometrie, links in Griffnähe stark ballig schleicht der konvexe Schliff zur Spitze hin sanft aus, rechts eine leicht geschwungene HK mit balligem Abgang. Mit anderen Worten, eine rechtshänderoptimierte Geometrie die konkav/konvex an den entscheidenden Flächen der Flanken geschliffen wurde. Das Messer wiegt 273gr und schneidet im vorderen Drittel mühelos 6° kalte, fette Möhren geräuschlos leicht und beginnt im Schubschnitt ab dem 2/3 der Klinge seine volle Schnittgutfreisetzung aka Food Release auszuspielen.

    Vorne extrem nagelgängig und nach hinten etwas stabiler werdend, ist die Geometrie der Klinge exakt auf mich zugearbeitet. Das Highlight ist aber der Griff. Ich wollte eine Full-tang-Bauweise mit einem ausgeprägten Distal-taper. Als Material wurden bunte Kaffeesäcke zugeschnitten, gepresst und blasenfrei vergossen. Mit 6mm Kupfer wurde vernietet. Der Griff ist aufgebohrt und so stark getapert, damit der Balancepunkt in meinem persönlichen Ideal liegt.

    Full-tang fühlt sich immer anders an, als ein Steckerlgriff. Die Griff-Form bildete sich aus Jiro-Western, Shigefusa-Western und eigenen Gedanken. Rausgekommen ist ein stark geschwungen ausgeformter 3D-Griff, der mit das Beste ist, was ich bis jetzt so in der Hand hatte. An dieser Stelle nochmal meinen Dank an Uwe, der in der Lage ist, einen beschriebenen Gedanken, eine Idee, Wirklichkeit werden zu lassen.

    Gewollt ausgewogener Balancepunkt bei einem massiven Full-tang Messer und zum Vergleich ein Schanz Gyuto Full-Tang mit Standardschwerpunkt. Man sieht also, wie man mit aufbohren, Taper, Materialgewicht und Formgebung von Griff und Klinge den Schwerpunkt beeinflussen kann. Eben je nach Vorliebe.

    Uwe ist ein wahrer Stückmeister, wenn er Vorgaben bekommt und seien sie noch so paradox, lässt er sich nicht aus der Ruhe bringen und sucht nach Lösungen Widersprüche zusammenzuführen.

    Niemand der wirtschaftlich lebenserhaltend gewerblich tätig ist, kann soviel Zeit in Probeläufe am Brett, in Kommunikation und ausarbeiten/ausschleifen von geometrischer Details stecken, ohne Bankrott zu gehen. Deshalb ist Uwe Mattern für mich die erste Adresse für ausgefallenes und personalisiertes. Vor Jahren hätte ich es nicht für möglich gehalten, wie leicht ein 273gr schweres Messer schneiden kann. Das Gewicht unterstützt die Schneidfähigkeit, wenn alles sauber abgestimmt ist.

    Die Geometrie macht’s und Uwe weiß wie’s geht, er hat das absolute Feeling für haftreduzierte/reduzierende Geometrien, aus meiner Sicht aktuell ein Alleinstellungsmerkmal.

    Gruß, cato

    Nichts ist gelber als das Gelbe selber. :D

  • Hallo Cato,

    ein sehr schönes Messer hast du dir da "maßschneidern" lassen!! :thumbsup: Gefällt mir ausgesprochen gut!!

    Sowohl die Klinge als auch der Griff sind, soweit auf den Bildern zu erkennen, vom Finish her perfekt geworden - dazu kann man nur gratulieren! Top Verarbeitung!!

    Das Griffmaterial kennt man ja schon von einem anderen Custom-Messer, das du dir bauen hast lassen. Das finde ich auch sehr interessant - machst du das Kaffeesack-Micarta selbst?

    Rein von der Optik her wäre der Liner für meinen Geschmack nicht nötig gewesen und wenn, dann hätte ich für einen optischen Kontrast schwarz bevorzugt - aber du hast ja eine sehr bestimmte Vorstellung gehabt u. der "Messermacher deines Vertrauens" hat hier - so nehme ich an - alles zu deiner Zufriedenheit umgesetzt! So soll es ja auch sein!!

    Ich finde den Beitrag doppelt spannend, da ich auch gerade ein Gyuto in Arbeit habe mit einer einseitiger Hohlkehle. Trifft sich also gerade gut! ;)

    Bezüglich der Hohlkehle habe ich eine Frage: diese hier hat ja, wie du erwähnst, einen geschwungen Übergang zur Schneide u. zum Klingenrücken hin, hat also keine scharfe Abgrenzung. Rein theoretisch würde ich sagen der Food release ist stärker ausgeprägt, je schärfer die untere Kante der Hohlkehle (zur Schneide hin) ausgeprägt ist, da das Schnittgut dadurch weniger Auflagefläche auf der Klinge hat, als bei einem runder verlaufenden Schliff. Ist da in der Praxis ein Unterschied merkbar oder funktioniert das gleich gut?

    Ansonsten viel Spaß mit deinem neuen Schmuckstück u. danke fürs Vorstellen!! :)

    LG
    Dieter

  • Servus,

    Bezüglich der Hohlkehle habe ich eine Frage: diese hier hat ja, wie du erwähnst, einen geschwungen Übergang zur Schneide u. zum Klingenrücken hin, hat also keine scharfe Abgrenzung. Rein theoretisch würde ich sagen der Food release ist stärker ausgeprägt, je schärfer die untere Kante der Hohlkehle (zur Schneide hin) ausgeprägt ist, da das Schnittgut dadurch weniger Auflagefläche auf der Klinge hat, als bei einem runder verlaufenden Schliff. Ist da in der Praxis ein Unterschied merkbar oder funktioniert das gleich gut?

    das ist eine spannende Frage, die sich nicht pauschal beantworten lässt. Die markanteste und scharf gesetzte HK hatte Xerxes vor 5 Jahren eingeschliffen. Diese HK hatte in der Tat eine "Abscherkante"

    Das Konzept funktionierte auch je nach Schnittgut ausgezeichnet. Ein Verbesserung zeichnet sich dann ab, wenn man die Abscherkante näher zur Schneide bringt, was Aufgrund der gewünschten Schneidfähigkeit schwierig wird, weil eben wenig Materialdicke verfügbar ist, in die man eine HK einschleifen kann. Das ist zum Einen eine Kompromissfrage und zum Anderen eine Frage des Feelings. ;)

    Der nächste der eine extreme "Kante" eingeschliffen hat, war und ist Kippington mit seinem "Hook"-Schliff:

    Das funktioniert zwar als FR super, aber der leichte Schnitt leidet stark darunter. Kartoffeln allerdings funktionieren top, die Scheiben bleiben am Brett liegen.

    Viele Andere versuchen eigene Wege zu gehen, Dalman integriert sie fast unsichtbar, so wie oben mein Messer von Uwe Mattern.

    Kamon-Knives fräst wieder eine hart aussehende HK beidseitig und geführt in seine Klingen:

    Wie du siehst, viele Konzepte, die alle eines gemeinsam haben: Sie sind schnittgutabhängig. :D Jedes für sich funktioniert an bestimmten Lebensmitteln mal besser mal schlechter, ein absolut funktionelles Konzept gibt es nicht, wenn der leichte Schnitt nicht darunter leiden soll.

    Die besten Konzepte sind aus meiner Sicht die, wo der Schnitt trotz sehr guter Schnittgutfreisetzung durch eine reduzierte Haftreibung immer noch genau so leicht, oder leichter ist, als eine konventionell geschliffene Klinge. Das ist tricky zu schleifen und da ist meiner Erfahrung nach, mein oben vorgestelltes Messer ganz vorne und Uwe Mattern einer jener Macher der das drauf hat. :thumbup::thumbup::thumbup:

    Gruß, cato

    Nichts ist gelber als das Gelbe selber. :D