Zwei Fragen (1) Härtung (2) Liner

  • Hallo Leute, ich melde mich einmal mit einem Faden zu Wort, weil ich zwei Fragen habe. Die wenigen Messer, die ich in den letzten Monaten hergestellt habe, brachten keine so nennenswerten Veränderungen im Sinne einer Verbesserung meiner nach wie vor begrenzten Fähigkeiten, daß ich zur Zeit eher mitlese. Also die Fragen:

    Ich habe ein Messer sozusagen nebenher aus 1.2510 gemacht und das ging so fix, dass eine alte und eigentlich unsinnige Leidenschaft wieder aufflammte, es möge alles ganz schnell und unaufwendig sein. Daher nur ein recht einfacher Längsabzug bis 180, das nur am Rande.

    Bei der ganzen Chose habe ich zwei Fragen, bei denen ich auf Hinweise oder möglicherweise Antworten hoffe.

    (1) Wärmebehandlung
    Die habe ich mit einem Muffelofen gemacht, wobei die Steuerung auf 870 Grad steht, die Temperatur dürfte "in echt", also an der Position der Klinge im Ofen bei 830 bis 850 Grad liegen (mühsam ermittelt, Grund: Messfühler befindet sich im normalen Betrieb oben in einer Ecke, dort ist es einige zehn Grad wärmer, als weiter unten, wo die Klinge liegt).

    Abschreckung in Rapsöl, das ich vorher auf etwas über 70 Grad erwärmt hatte, Klingenrücken unten, Längsbewegungen. Anlassen im Backofen, zweimal 45 Minuten bei 180 Grad, der Backofen geht recht genau, das habe ich nachgemessen. Anlassen unmittelbar aus dem Öl, die Klinge noch 70 Grad warm, getreulich nach einer Empfehlung für 1.2510. Zunder weggeschliffen.

    Danach Prüfung der Härte mit Prüffeilen. Über 55 HRC überall. Mit der 60er Prüffeile kann man im Griffbereich und in der Nähe des Klingenrückens noch ritzen, in der Nähe der Schneide nicht mehr. In Schneidennähe hat die Klinge also jedenfalls 60 HRC, in den dickeren Bereichen weniger (aber jedenfalls klar über 55 HRC). Das ist fast wie eine angedeutete differentielle Härtung, allerdings ungeplant und einfach so ermittelt.

    Das kann ich mir bestenfalls dadurch erklären, daß die zulaufende Primärfase einfach schneller herunterkühlt, weil dort weniger Material steht, kennt diesen Effekt jemand auch und/oder kann sich einen Reim darauf machen ?

    (2) Liner
    Erstmals zwei blauen Linerschichten unter das Griffholz geklebt. Nur sieht man die nach dem Schleifen und mühlseligem Abwischen mit Labbe über Labbe (hessisch für "Lappen") an einigen Stellen nur recht schwächlich, die betreffenden Stellen scheinen verschmutzt und der Dreck scheint nicht herauszugehen. In einigen wenigen Betrachtungs- oder Lichteinfallwinkeln strahlt es schön blau, deswegen sieht die unter Aufnahme besser aus, als die Realität. Gibt es da Tricks und Kniffe, wie man das Linermaterial sauber bekommt ?

    Besten Dank im Vorhinein für Eure Aufmerksamkeit.

    Reinhard

  • Hallo Reinhard,
    mir gefällt dein schnelles Messer. Klar kann man noch mehr Energie reinstecken, aber das muss jeder für sich entscheiden.
    Zu der Härtefrage. Es ist durchaus möglich dass du unterschiedliche Härtegrade hast, aber das kann an vielen Faktoren liegen (Werkstückkerntemperatur, Abschreckmedium, Haltezeit,...) und ist somit nur schwer aus der Ferne zu bewerten. Wichtig ist doch das es an der Schneide stimmt. Ich verlasse mich immer auf die Temperaturmessung am Werkstück und das Anlassen kann man bestens an der Anlassfarbe ablesen. Prüffeilen hab ich gar keine 8)

    Zu den Linern kann ich dir leider keinen Tip geben.

    Viele Grüße Alex

    Viele Grüße

    Alex


    Blood, Sweat and Musclecat!

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  • Hallo Alex, danke für deine Rückmeldung!
    ich habs mir fast gedacht. Es sind einfach zu viele Variablen in der Gleichung, als dass eine sichere Ferndiagnose möglich wäre. Also werde ich weiter herum experimentieren. Man kann im Ofen sehen, dass die der Tür zugewandten 30 bis 40 Prozent der Länge nicht so warm werden, wie der Rest, das griffseitige Ende der Klinge bleibt etwas dunkler, als der Rest. In diesem Temperaturverlauf wird möglicherweise auch ein Teil Ursache liegen.

    Ansonsten werde ich mal die nagelbürste aus dem Badezimmer zweckentfremden.

    Aufwendiger Arbeit wird es sicherlich auch wieder geben, nur bei dem hier dachte ich nach einem leichten Anfang: Keep it simple, get ready soon.

    Beste Grüße Reinhard

  • Hallo Reinhard,

    zum härten werde ich Dir nichts sagen, ich selbst habe keinen Ofen und härte nur kleine Messer in meiner Gasesse selbst.

    Zu den Linern. Der Trick ist es nicht dreckig zu machen dann musst Du es nicht säubern. Ich nehme an Du hast für die Liner das übliche Vulcanfiber benutzt. Wie der Name "fiber" schon sagt, das ist im Prinzip ein Fasermaterial welches Dreck aufnimmt bzw. aufnehmen kann.
    Ich verklebe meine Liner auf das Griffmaterial. Dann schneide ich nah and der Griffform zu bevor ich die Griffschalen verklebe. Wenn ich die Überstände verschleife, schleife ich bis kurz vor den Stahl, ich vermeide Stahl zu schleifen, das verdreckt die Liner. Wenn ich knap dran bin nehme ich dünnflüssigen Sekundenkleber und tränke den Liner von der Stirnseite. Ich versuche also die Poren im Liner zu verschließen damit kein Stahlstaub eindringen kann. Dies u.U. wiederholen.

    Gruß
    Roland

    Ancora Imparo

    Es ist besser eine gute Entscheidung rechtzeitig zu treffen als eine sehr gute zu spät.

  • Hi Roland,

    danke für diese Hinweise, es ist in der Tat Vulkanfiber und ich habe mir nicht die geringste Vorstellung gemacht, sondern war der festen Überzeugung (fragt sich nur, woher die kam), das sei quasi "Plastik" und wäre daher unproblematisch. Nun denn, mit einer weiteren Überschleifung des Griffs habe ich die Streifen ein wenig sauberer bekommen und beim nächsten mal werde ich es besser wissen.

    Grüße v Reinhard

  • Sers Reinhard
    noch was zu den Linern :
    Ich schleife die am Ende nicht mit dem BS da wird das Fiber heiß und der Schmutz bleibt darin kleben .
    Am Ende (Finish) schleife ich mit Schleifpapier das ich über ein stückchen Holz spanne nur in Längsrichtung .
    Vielleicht hilft dir das beim nächsten mal .

    Norbert vom Neckar

     NIVEAU ist keine Hautcreme

    ...und will mich jemand aus der Ruhe bringen , so denk ich an die Worte des Götz von Berlichingen

    lasstdistechahlengluehen-3-platz.jpgwanderer_teilnehmer.jpgzombie3.jpg

  • Hi Reinhard
    die meisten Oefen haben unterschiedliche Temp-Bereiche.
    Ein Thermometer mit langer Sonde verwenden und diese in der Raummitte plazieren,
    Haertegut und Sonde ausrichten, niemals nahe der Decke oder des Bodens plazieren oder waermen.
    Der 01 sollte eigentlich ueberall gleichhart werden da er eine Legierung hat die die kritische Abkuehlgeschw. beeinflusst
    und den Stahl schneller durchhaerten laesst...Mangan, Chrom etc...deshalb ist die Temperatur des Oels bei diesem Stahl meiner Meinung nach
    zweitrangig.....ich hab den 2510 im Schwarzwald in Oel mit winterlicher ungeheizter Raumtemperatur abgeschreckt(....4Grad+!) und der hat 63HRC angenommen
    (bei reinem Kohlenstoffstahl ohne Legierungs-Support ist die Oeltemp. dagegen ausschlaggebend.)
    Im Stahlschluessel kann man nachlesen welche Haerte der 2510 bei einem Standard-Querschnitt von 20x20 mm(!) annimmt.

    zu den Linern.....ich halte Vulkanfiberzwischenlagen fuer qualitativ mindernd....nicht wasserfest und im Laufe der Jahre ein tolles Feature wenn man auf
    entstehende Spalten steht....ausserdem verdoppelt es die Fuegestellen...warum doppelt kleben wenn es auch einfacher und solider geht.
    Vulkanfiber ist lediglich Papier mit Phenolharz....das taugt doch nichts! :greensceptical:
    doch zum Schluss muss jeder ueber die eigene Qualitaet selbst entscheiden....wie immer.....oder so oft.
    Vulkanfiber wird im Querschnitt bearbeitet und spant so schwer ab....scharfe Baender helfen hier ab ....und natuerlich feiner bearbeiten als nur Korn 180

    Gruss Daniel

  • für mich ist die Verwendung von Vulkanfiber beim Messerbau
    nur für ungenaue Arbeiten gedacht. d.h. um Spalte zu verbergen.
    Besser ist eine genauere Arbeit anzustreben.


    Gruß
    Bernhard

    Man muß Gott danken, selbst für einen Unterfranken.
    Nunc est bibendum (Lasst uns trinken!) :beer: (Kellerbier)

  • Hallo allerseits,

    iIch lach mich kapott, selten bis nie hatte ich eine so schöne "squareness and flatness", da hat alles gepaßt. In meiner Ahnungslosigkeit meinte ich, ich würde nun etwas ganz besonders Besonderes machen, indem ich die Einlagen eingesetzt habe. Nun denn, das werde ich mir alles durch den Kopf gehen lassen müssen. Ich danke Euch für alle Hinweise, Ihr habt mal wieder geholfen. Wenn man so alleine vor sich hin werkelt, ist eine Resonanz mitunter unheimlich notwendig und wertvoll.

    @Daniel: Ich habe mittlerweile eine lange Sonde, die bis in die Mitte des Brennraums reicht, allerdings nur hinsichtlich der Länge. Da es hieß, die Dinger könne man biegen, habe ich eines der Teile - ich hatte mehrere bestellt - bananenmäig zurechtgebogen, um die Spitze in die Nähe des Werkstücks zu bringen, allerdings lieferte der Fühler danach nur noch erratischen Unsinn. Also nehme ich einen geraden ungelogen ungebogen. Die Differenz zwischen oben und Unten habe ich mit einem Fühler, der dabei letztlich draufging mit 30 bis 40 Grad ermittelt. Wie dem auch sei, ich nehme einmal an, daß die Unterschiede zwischen "mit 60Hrc noch kratzbar" und nicht mehr kratzbar nur gering sind. Hätte ich die Prüffeilen nicht, würde ich mir keinen Kopp machen (ganz wie Corona, das es ohne Messungen ja auch nicht gäbe :D )

  • Also ich bin eigentlich ein Fan von Fiber.
    Ich verwende es weniger, um ungenaue Arbeiten zu kaschieren, als vielmehr um einen schönen Kontrast zwischen Klinge und Griffmaterial zu erzeugen.

    Daher würde ich auch ein paar Vorrednern hier widersprechen, die Fiber als minderwertig ansehen. Wenn die Recht hätten, dann wäre ja z.B. Bob Loveless auch ein Pfuscher gewesen. :D

    Fiber erfordert im Gegenteil einen Extra-Aufwand. Man muss sauberer arbeiten, um die Zwischenlage nicht zu verwischen und mann muss viele Sacklöcher durch das Fiber bohren, um einen direkten Klebekontakt zwischen Griffmaterial und KLinge zu erzeugen.

    Allerdings muss ich Daniel Recht geben - In meinen Augen erhöht eine Fiber-Zwischenlage das Risiko von Spaltbildung. Einige (zu viele) meiner "Frühwerke" sind in meinen heutigen Maßstäben nicht gut gemacht.

    Viele Grüße

    Gerhard

  • Gerhard

    Ich kann Dir da nur zustimmen. Ich verwende Fiber auch als Farbkontrast an meinen Griffen. Gerade weil man zwei Klebefugen hat muss man eigentlich sauberer arbeiten. Von all meinen Messer die ich gabaut habe hat sich bei zwei Messern eine Fuge gelöst. Ich wage zu behaupten es lag nicht am Fiber sonder am schwinden des Holzes.

    Gruß

    Roland

    Ancora Imparo

    Es ist besser eine gute Entscheidung rechtzeitig zu treffen als eine sehr gute zu spät.

  • Hi Roland und Gerhard,

    was die Genauigkeit bzw. das Kaschieren betrifft, bin ich der gleichen Meinung. Das Material gibt nicht nach, also würde es bei Ungenauigkeiten nicht helfen. Wollte man derlei kaschieren, so müßte man Material hernehmen, das sich einer Kontur anzupassen vermag. Halten wird es wohl, denn die Bohrungen sind so eng, Dass ich die Schalen bei der Verklebing mit dem Schraubstock aufpressen mußt. Das würde wahrscheinlich sogar ohne Kleber halten. Das Epoxidharz dient sozusagen nur als Sicherung.

    Der Rest ist wohl Geschmackssache. Ich hatte mir bei dem dunklen Holz sowie Pins aus Aluminium das Blau als Verfeinerung gut vorstellen können. Ein Versuch letztlich.

    Beste Grüße Reinhard

    PS: Roland, Gerhard, Reinhard, das ist ja die reinste Germanenversammlung.

  • Hallo Reihard,
    auch ich bin so ein sporadischer Hobbymessermacher, manchmal packt es mich und baue mehrere Messer
    hintereinander, dann liegt das Hobby wieder Brach, oft auch aus beruflichen und familieren Zeitgründen.
    Das Härten habe ich früher bei niedriglegierten C-Stählen auch selber im Kohlenfeuer anhand der Glühfarbe
    durchgführt, sogar mit recht guten Ergebnissen. Da ich aktuell aber meist hochlegierte Stähle oder rostreien
    Damast verwende, gebe ich die Klingen zu einer Härterei.
    Ich verwende auch gerne Vulkanfieber, eben aus den genannten Kontastgründen, keineswegs um etwas zu
    kaschieren. Bei der Stabilität sehe ich keine Nachteile, aber das ist meine subjektive Meinung.
    Sicherlich giebt es Alternativen zu Vulkanfieber, habe selber aber noch kein anderes Material als
    Zwischenlage verwendet.
    Vielleicht haben da andere Messermacher noch Vorschläge zu machen, oder Erfarungen. Würde mich mal interessieren.
    Gruß Tim