Review Thomas Braunagel Desmotronixx: Daniel Düsentrieb returns

  • Wir haben ja hier schon einiges in die Welt getragen, aber nu isset fertig: Desmotronixx

    Ich habe ja schon mal gesagt, dass unser Thomas (Nothelfer) für mich DER Mann ist, wenn es um ausgefallene Projekte mit technischen Hintergrund geht.

    Um dies zu verdeutlichen erwähne ich gerne seine Kugelschreiber oder diesen Folder hier: http://black-forest-knives.de/Galerie.html

    Ich habe von Thomas noch nie gehört: Geht nicht, machen wir nicht, ist blöd, zu aufwendig, kann ich nicht.

    Je aufwendiger, um so mehr Spaß hat er an dem Projekt.

    Wie alles begann:

    Buseck 2011 an Stand von Thomas.

    Ich: Thomas, irgendwie schwebt mir ja mal ein Fixed vor, dass eine Verriegelungsmechanik an der Scheide hat.

    Thomas: Ja, darüber habe ich auch schon nachgedacht. So was wie der Transformer Folder, nur als Fixed. Wäre schon klasse. Aber das zahlt ja keiner und das kann ich mir nicht so einfach hinlegen.

    Ich: Ok, ich zeichne mal.

    So fing dieses Projekt an zu entstehen. Über die Feiertage habe ich mich hingesetzt, die Buntstifte gespitzt und dann ging es los. Mit dem Grobentwurf.

    Gezeichnet, etwas hin und her überlegt und mir Gedanken darüber gemacht, was mir bei Messern gut gefällt.

    Klingenform war relativ schnell gefunden, auch die Griffform. Hier wollte ich einen hinten durchbrochenen Griff und Schalen, an denen zusätzlich Paracord verwendet wird.

    Zur Scheide und Verriegelung hatte ich mir nur rudimentär Gedanken gemacht.

    Thomas hat den Entwurf des Messers etwas überarbeitet. Thomas hatte noch die Idee mit der Zentralmutter im vorderen Bereich und den Schalen mit Schuppen. Die mechanische Lösung habe ich weitestgehend in seine Hände gelegt. Die war von mir nur grob angedeutet, wie ich es mir vorstellen würde. Da dies aber doch einer mechanischen Lösung bedurfte, habe ich mich da vollkommen auf Thomas verlassen. Er sollte entscheiden, was geht und wie wir es angehen.

    Das ganze sollte so einen Steampunk-Touch bekommen. Also definitiv nichts von der Stange. Mal sehen was geht, mal richtig abgefahren.

    Dann ging alles seinen Weg. Und ich muss sagen, das ist so verdammt cool geworden.

    Es sollte schon längst fertig sein und wir sind ehrlich: Es ist die zweite Klinge. Die erste (sowie noch einige weitere) erfreuen jetzt andere Personen, denn die erste Charge hat den Weg von der Härterei zurück zu Thomas nie gefunden. Weg. Verschwindibus. Aber nicht nur das Paket, sondern vorsichtshalber haben die gleich den ganzen Lieferwagen geklaut. Also, keine Halben Sachen.

    Klar ist so was versichert, aber die verlorene Zeit bekommt man halt nicht wirklich zurück.

    Also noch mal von vorne mit der Klinge.

    Aber nun ist es fertig, das Desmotronixx. Erinnert mich eigentlich so ein bisschen an die Sesamstraße und die „Was-passiert-dann-Maschine“.

    Aber nun zum Messer und seinen Bestandteilen.

    1. Die Klinge

    Die Klinge ist auch schon was besonderes. Sie besteht aus BG-42, einem heute eher seltenen Stahl. BG-42 werden gute Eigenschaften attestiert. Sehr schnitthaltig, sehr zäh und böse scharf zu bekommen. Ob ich diese bei dem Messer ausreizen werde, wird sich zeigen. Das Messer hat jetzt schon Fluch und Segen. Fluch ist definitiv, dass Thomas sich hier um 200 Prozent übertroffen hat und es somit schon grenzwertig ist, ein solches Ding im Wald mit sich rumzuschleppen. „Batoning“ wird es sicherlich nicht aushalten müssen, auch wenn es es sicherlich könnte. Ein Hardcore User wird es also definitiv schon mal nicht. Segen, das sehr Ihr ja selbst. Ohne Worte.
    Die Klinge sollte Kannelierungen in den Flanken haben, am hinteren Ende mit Bohrungen durchbrochen, um dort Paracord durchführen zu können.

    2. Die Schalen

    Die Schalen bestehen aus 6mm Titan Grade5. Die Oberfläche ist mit einem Schuppenmuster überzogen, welches zusätzlichen Grip gibt. Hinten sind die Schalen ausgeklingt, so dass man auf die Klinge schauen kann. Die Schalen sind zudem gestrahlt, um die Kanten den Schuppenmusters leicht zu brechen.
    Unter den Schalen ist auch eine “Unterführung“, durch die das Paracord gezogen wird. Sprich das Paracord läuft unterhalt zwischen Klinge und Schalen entlang und kommt durch eine Bohrung nach oben. Im vorderen Drittel wird das Paracord um die Schalen gewickelt. Dies konturiert zum einen den Griff und formt es sehr gut der Hand an, zum anderen hat man hier einen etwas weicheren, bequemen Bereich. Hinten wird das Cord durch die Löcher geführt und bildet dort den Abschluss.

    Aktuell sind in diesem vorderen Bereich O-Ringe montiert. Eine zweite Variante, wie diese Konturierung erfolgen kann. Ich finde beides spannend.

    Aber nicht nur das Fräsen der Schalen ist eine besondere Herausforderung. Zwar bieten diese eine tolle Optik und ein klasse Griffgefühl. Sie bedeuten aber erheblichen Aufwand und nicht nur beim Fräsen: Die Schalen können nicht einfach stumpf auf die jeweiligen Seiten verschraubt werden, sondern müssen zueinander ausgerichtet werden. Sprich die Schuppen müssen auf jeder Seite schon so zueinanderstehen, dass das passt. Wenn hier ein Versatz drin ist, sieht es nicht mehr gleichmäßig aus.

    Schon aufwendig.

    3. Zentralmutter

    Im vorderen Bereich sitzt eine Zentralmutter. Dies ist eine echte Verschraubung, die weitaus mehr her macht, als normale Schrauben. Es ist nicht nur reine Zierde, denn diese Mutter hält im vorderen Bereich die Schalen an Ort und Stelle. Eine extra Anfertigung, die Thomas auch schon des Öfteren bei seinen Foldern verwendet hat. Nichts von der Stange, auch handgemacht.
    Damit man diese Schraube lösen kann, gibt es dafür ein extra Werkzeug. Auch Handarbeit.
    Die Mutter hat einen Durchmesser von 16mm und besteht ebenfalls aus Titan. Damit alles ineinander passt, wurde Mutter als auch Schlüssel auf dem Teilapparat zueinander hergestellt.

    Schon abgefahren.

    4. Verriegelung

    Bei der Verriegelung habe ich Thomas irgendwann freie Hand gelassen. Ich hatte es mir ursprünglich zunächst anders überlegt. Es sollte wie bei einem Revolver ein kleines Hämmerchen sein, welches in eine Klingenmulde greift. Ich glaube, das war Thomas zu unspektakulär, zu popelig, wie man am Ergebnis sieht.
    Thomas wollte dann die Verriegelung lieber auf die andere Seite legen. Diese greift dort in den Guard. Zunächst war hier eine Hebelmechanik angedacht, aber auch hier meinte Thomas irgendwann, dass dies zu langweilig wäre, wenn nur ein paar Stangen ineinander greifen. Er würde es gerne mit einer Kette lösen. Da habe ich mich dann geistig ausgeklingt, da ich mir das nicht mehr vorstellen konnte und gesagt: Klingt spannend, mach mal. Ich war mir sicher, dass das GUT wird. Geworden ist es noch BESSER.

    Die Mechanik funktioniert wie folgt: Drückt man dem Hebel auf der einen Seite, so wird über die Mechanik auf der gegenüberliegenden Seite der Guard freigegeben. Erst dann kann das Messer aus der Scheide gezogen werden. Das ist schon Messerpornografie, man möge mir diesen Ausdruck verzeihen. Und wie gesagt. Nicht halt eine einfache, schnöde Mechanik. Nein, es sollte schon extravagant sein und vor allem sollte die Funktionsweise der Verriegelung zu sehen sein. Also nichts verstecktes.

    Das Auslösehebelchen auf der einen Seite ist über Zahnräder und Kette mit dem Öffnungsmechanismus aus der anderen Seite verbunden. Drückt man eben diesen Hebel, so setzt sich diese komplette Mechanik in Bewegung, überträgt dabei die Bewegung auf die andere Seite. Schon sehr spannend zu sehen, wie durch die Betätigung des Hebelchens es anfängt zu arbeiten. Die Kette bewegt sich, die Zahnräder drehen sich und geben letztlich das Messer frei.

    Zeitgleich zu dieser Bewegung wird ein Federmechanismus gespannt, der dafür sorgt, dass der gesamte Mechanismus unter Spannung gesetzt wird uns letztlich ohne zusätzliche Arbeit wieder in die Ausgangsposition geführt wird. Es ist also nicht notwendig, den Mechanismus mittels einer weiteren händischen Bewegung in die Ausgangsposition zurück zu bringen.

    Ich denke auf den Bildern kann man ganz gut erkennen, wie dies funktioniert.

    5. Trägerplatte

    Die Scheide insgesamt ist aus Kydex. Diese sitz auf einer 4mm Titanträgerplatte aus 6Al4V. Aufgeschraubt ist sie mit Titan Abstandhaltern.

    Die Trägerplatte liefert die nötige Stabilität und nimmt letztendlich die Mechanik auf.

    Wie zu sehen, sitzt die ganze Mechanik zwischen eigentlicher Kydex und der Trägerplatte. Die Trägerplatte ist rückwertig ausgeklingt, so dass wie bei einem Uhrwerk auf die sich dahinter befindliche Mechanik geschaut werden kann. Äußerst spannend, denn so gibt das Messer nicht sofort alle seine Besonderheiten preis, sondern kann nach und nach entdeckt werden.

    Rückwertig auf der Trägerplatte sitzt auch die Möglichkeit das ganze Spektakel an den Gürtel zu montieren. Wie könnte es anders sein: Titan wurde verwendet.

    Das ganze Messer ist völlig abgefahren und nur noch in Grundzügen mit dem zu vergleichen, was ich ursprünglich im Kopf hatte. Thomas hat es kontinuierlich weiterentwickelt. Vieles im im Fertigungsprozess hinzugekommen und wurde erst dort endgültig festgelegt. Das Messer als solches hat nicht so viele Modifikationen erhalten, sondern ist nahezu noch mein Entwurf bzw. der, den Thomas und ich aus meiner Buntstiftzeichnung entwickelt haben.

    Anders bei der Scheide und der Verriegelung. Dort ist vieles ganz anders geworden.

    Wenn ich überlege, dass ich meine Lösung schon für spektakulär gehalten habe, wo ein einfaches kleines Hämmerchen mittels Federkraft in eine Mulde drückt, so ist das Ergebnis weit weit weg davon.

    Das ist um längen abgefahrener und einzigartiger als meine ursprüngliche Idee.

    Solche Projekte mit Thomas zu machen ist einfach der Wahnsinn. Ich bin schon gespannt auf unser nächstes gemeinsames Messer. Das wird weitaus unspektakulärer, aber dennoch eine Besonderheit.

    Mir fehlen immer noch die Worte. Dies gehört zu den Messern, die man auf den Fotos definitiv nicht gut versteht. Das muss man in der Hand gehabt haben, um auch diese super funktionierende Mechanik erlebt zu haben.

    Thomas, es hat mir mal wieder extrem viel Freude mit Dir gemacht.

    Das Warten hat sich mehr als gelohnt.

    Daniel Düsentrieb hat es mal wieder geschafft. Ich bin total baff.

    Ausführungen zur blitzsauberen, absolut kritikfreien Verarbeitungen und Schärfe spare ich mir. Die versteht sich bei Thomas von selbst. Da gibt es nichts, aber auch rein gar nichts zu meckern.

    Das Messer und die Ausführung ist einzigartig und so wohl noch nicht da gewesen.

    Es freut mich, dass ich es Euch hier zeigen konnte.

    In Buseck dieses Jahr werde ich es auf Thomas Stand platzieren. Wer es nicht vorher schon live gesehen hat, hat hier dann die Möglichkeit.

    So, jetzt Maße und Daten, dann Bilder.

    Stahl: BG-42
    Griff: Titan - Paracord
    Zentralmutter: Titan
    Gesamtlänge: 243mm
    Klingenlänge: 125mm
    Klingenstärke: 5mm
    Klingenhöhe: 35mm
    Gewicht: 396 Gramm
    Gewicht mit Scheide: 896 Gramm
    Scheide: Kydex - Titan

  • Jetzt mal ehrlich, Thomas hat doch nur eine Terminator-Hand gefunden und ein Messer reingesteckt - I'll be back! :D

    Trotz Erklärung werde ich den Mechanismus erst verstehen, wenn ich das ganze in Echt sehe.
    Ist schon extrem ausgefeilt und einen wahnsinns Kontruktion.

    Da hat Thomas sich wieder was extrem Extravagantes einfallen lassen.
    Somit hat sich das Warten gelohnt, auch wenn es lange gedauert hat.

    Gratuliere zu dem Prachtstück!

  • Hallo Frank,
    ich freue mich riesig, das du es endlich bekommen hast!
    Es ist wirklich Porno auf höchsten Niveau und hier ist diese Wortwahl erlaubt :thumb:

    Ich konnte ja das nicht ganz fertige Messer schon bei dir bewundern, aber jetzt ist es einfach ohne Worte.

    Ich habe noch eine Frage, muss man den Hebel so lange gedrückt halten, bis die Klinge aus der Scheide gezogen wurde, oder gibt es hier noch eine Arretierung, die sicherstellt, das der Verriegelungs -Bolzen nicht auf die Schneide kommt?

    Grüße Frank
    Ich kann jetzt auch nur vermuten, was ich damit meine ....

  • Moin,

    Absolut abgefahrenes projekt! :thumbsup:
    Es sind sicher nur wenige in der lage sowas in so stimmiger art und weise umzusetzen-respekt an thomas. :thumbup:
    Über sinn und unsinn braucht man bei solchen messern nicht zu streiten.
    Danke fürs zeigen,hat absolut spass gemacht,und frank,vieeel spass mit dem DING...

  • Hi Frank,
    bei dem kleinen Wunderwerk kann man ja richtig auf Entdeckungsreise gehen...hier noch ein Hebelchen und da ein Rädchen...am schärfsten finde ich die Kraftübertragung über Zahnräder und Kette. Daniel Düsentrieb ist auch mir dabei spontan eingefallen. Herrlich meschugge! Und ein Bericht, der an Ausführlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt. Danke fürs Zeigen! Ich hatte eine Menge Spaß dabei!
    Gruß Husky

  • Alles ist bereits gesagt aber ich muss was schreiben, um meiner Begeisterung Ausdruck zu verleihen,
    Dieses Messer und seine Behausung sind State-of-the-art. Glückwunsch zu diesem Teil  :yes:  
    Unglaublich, dass ich dermaßen Verrückte Leute kenne ...


    viele grüße
    thomas

  • Also ich durfte das Teil in der Entstehungsphase ja schon mal in der Hand halten, aber was daraus geworden ist, aller größten Respekt. :thumb: :thumb:

    Gruß Dieter

    Lieber stehend sterben als kniend leben.

  • Ich bin über Braunagels Werke immer wieder "Sprachlos" und in höchstem Maße begeistert!

    Danke!
    Nun bin ich beruhigt, wenn ich mich in bedeutend kleineren Projekten verrenne und mich zwischendurch selbst frage ob ich nicht zu pedantisch rangehe!

  • den Mechanismus verstehe ich aufgrund der Bilder auch noch nicht so richtig

    Wer hinten auf den "Revolver"-Hebel drückt, bewegt ein Zahnradsegment, das wiederum in ein anderes Zahnrad eingreift und dadurch ein auf der gleichen Welle sitzendes Kettenrad antreibt.
    Diese Kettenrad treibt die Kette an, welche auf der Abtreibseite ebenfalls in Komination Kettenrad/Zahnrad/auf gleicher Welle wiederum ein Zahnrad antreibt welches mit dem Öffnungshebel verblockt ist.
    Diese scheinbar auf den ersten Blick "unnütze" 2.Zahnrad-Paar dreht wiederum die Drehrichtung des Abtriebrades um, damit das Hebelchen das Messer freigeben wird.

    Damits komplett durchgeknallt und unverständlich wird :doh: , musste Räderwerk in unterschiedlicher Größen verbaut werden.
    Darüber wurde das erforderliche Übersetzungsverhältnis realisiert, damit das Öffnungshebelchen
    beim Freigeben des Messers einen größeren radialen Weg zurücklegt als die zurückgelegte, deutlich kürzere Wegstrecke des "Revolver-Hebelchen" beim gedrückt werden.

    Schätz mal, das nächste Messer für Frank wird irgendwas mit nem 0,0000350cui-Nitro-V8 welcher mittels Bluetooth-Steuerung einen Folder auf und zu klappt :D