Besuch bei Otter-Messer... Die Suche nach dem "typisch" Deutschen Messer

  • Gerade sind es 2 Jahre her, seit mich das Messervirus voll erwischt hat... und die Sammelkisten füllen sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit!

    Natürlich nicht (vielleicht sollte ich sagen, noch nicht) mit all diesen schnieken Vertretern wie sie z.Z. hier im Forum vorgestellt werden. Namen wie D. Boll kommen nicht vor. Eher die typische Anfängerdroge zwischen Victorinox, Benchmade und Spyderco. Aber, was nicht ist kann ja noch werden, besonders wenn ich mir die vielen Fotos ansehe, die ich allein in den vergangenen 3-4 Tagen hier aus der BC "entnommen" habe

    Als ich vor wenigen Tagen mal all "Schätze" aus den diversen Kartons gepackt hatte und auf dem Esszimmertisch die Strecke abging, wurde mir eins mit Erschrecken klar... alles Ausländer... Schweiz, USA und ein paar Franzosen zusammen mit wenigen Italienern.

    Wo sind die DEUTSCHEN? Kaum was zu finden! Das muss anders werden, dachte ich und klemmte mich bei Google rein.
    Nun wohne ich ja in MH kaum eine halbe Stunde entfernt vom Zentrum der ehemaligen Hochburg der Messerindustrie, kein Problem also, sich mal vor Ort um zu sehen. Böker hatte ich zwar bereits hinter mir, aber auch dort... überwiegend Amerikanischer Kram. Die wenigen traditionellen Modelle allenfalls auf dem B-Waren-Tisch zu finden.

    OK, dann nehmen wir eben Otter-Messer, ebenfalls seit 1840 im Rennen. Die hatten übrigens soeben einen Eigentümerwechsel hinter sich.
    Wie ich am Telefon erfuhr, hat her Morsbach das Unternehmen an Herrn Rommel übergeben, der seit einigen Monaten die Firma Otter in Eigenregie führt. Eine Einladung, die neuen Fertigungs- und Büroräume in Augenschein zu nehmen, hab ich natürlich sofort angenommen und am vergangenen Donnerstag war es dann so weit.

    Schön hell und deutlich "aufgeräumter" als in der alten Produktionsstätte ist es hier und auch noch Raum für Erweiterungen. Zwar wurde ein grosser Teil der Maschinen übernommen, aber mit einem Blick ist zu erkennen, für den überwiegend manuellen Arbeitsablauf tun die es auch noch etliche Jahr; zur Zeit der Anschaffung war der Begriff vom "geilen Geiz" noch nicht üblich und die Maschinen sind reichlich überdimensioniert, da geht bei regelmäßiger Wartung nix kaputt, auch nicht in 20 Jahren.

    Die Werkzeuge, wie Stempel und Vorrichtungen aber und einige kritische Arbeitschritte sind bereits oder werden in der kommenden Zeit komplett überdacht bzw. neu angeschafft. Ziel dabei, die Präzision und Wiederholqualität merkbar zu verbessern.
    Die Messerklingen sollen deutlich besser "zentriert" sein, die Stempelungen und Ätzungen klar lesbar und die Klingenschliff tadellos ausgeführt werden. Herr Rommel hat bereits in viele alte Wunden seine Finger gelegt und Abhilfe ist in Sicht. Der Mann ist zielstrebig, das merkt man im Gespräch sofort!

    Neben einer Vielzahl an preisgünstigen Arbeitsmessern für Industrie und Handwerk, sind insbesondere 2 Messertypen, die auch Sammler interessieren, bedeutende Säulen der Produktion.

    Zum einen die Ankermesser, die seit vielen Jahren auch die Sammlerschubladen füllen, auf der anderen Seite aber das bekannte MERCATOR Messer, welches in mehreren Varianten sein Jahrzehnten fast unverändert gebaut wird. Speziell die Amerikanischen Sammlern scheinen "rattendoll" nach so einem "Oldie" zu sein.

    Ausgestanztes Kastenbleche des Mercator-Messers, die Kanten sind bereits "verrundet".


    Das sieht schon "fast fertig" aus... naja, die Klinge fehlt vielleicht noch...

    Hier z.B. wurde das Nietverfahren geändert, sodass nun die Nietköpfe garantiert beidseitig sauber ausgebildet sind.
    Auf meine Frage, wieso denn kein "besserer" Klingenstahl zum Einsatz kommt, die überraschende Antwort:
    Die Amerikanischen Sammler wollen alles so weit wie möglich am Original :!:

    Auch hat man den Schleifvorgang verbessert, sodass künftig die Schlifftbilder mit optimaler Symmetrie ausfallen.

    Klingenrohlinge aus Carbonstahl

    Klingen aus rostträgem Stahl nach dem Rohschliff


    Eine interessante Information für alle Liebhaber von Mercatormessern kann ich noch los werden: Es wird voraussichtlich bis zum Messer-Gabel-Schere-Markt am 10. und 11.11.2012 eine "neue alte Variante" des Mercator Messers geben!

    Z.Z. arbeitet das Team um Herrn Rommel mit Hochdruck an der Realisierung des werksgetreuen Nachbaus des 4 teiligen Mercator-Messers.
    Einige wenige von uns werden noch so einen alten rostigen Freund in der Sammelschublade haben. Wer bisher leer ausgegangen ist, ab Herbst kann man sich eindecken... hier ein paar Schnappschüsse von der Werkbank, auf der ich die Prototypen der Einzelteile einmal zusammenlegen durfte.


    Ahle aus geschmiedetem Vollmaterial, kein gebogenes Blech
    Korkenzieher mit 5 Windungen, "echter" Seele und Rille.
    Dosenöffner in "alter" Form.

    Verglichen mit den allseits bekannten 1 teiligen Vertretern der MERCATOR Messer wird das neue 4 teigige ein Messer für echte Männerhände.

    Ich jedenfalls, bin gespannt auf das Neue und habe bereits jetzt darum gebeten, mir ein Messer aus dem "First Run" zurückzulegen.
    Ganz links übrigens ein echter Oldie, zu dem Herr Rommel noch nichts sagen wollte. Wer weiß, was da für das kommenden Jahr in Planung ist, ich jedenfalls hätte nix dagegen :)

    Wenn Interesse besteht, über den Stand der Dinge informiert zu werden, bin ich gerne bereit, regelmäßig "nachzufragen" und weiter zu berichten!


    PS
    Natürlich verläst man nach 3 Stunden angeregtem Gespräch keinen Messerhersteller, ohne nicht auch ein paar "Kleinigkeiten" mitgenommen zu haben. Besonders Spass gemacht hatten mir 2 nicht (mehr) im aktuellen Programm befindliche Messerchen... ja und dieses nette, vollkommen "un-tactical" Zebra der Mercator-Serie war auch dabei.

    Zuhause angekommen, die übliche Beichte nach einem solchen Besuch bei der Besten Ehefrau von Allen (BEVA):

    BEVA: (Mit kritisch hochgezogener Augenbrauhe, ihr kennt das ja alle.) Naaa, war's schön in Solingen?
    Ich: Jaaaa, sehr interessant, insbesondere... (Ich werde unterbrochen)
    BEVA: Und, wieviele Messer sind es heute?
    Ich: Ooooch, nur 3 Stück... Aber eins davon ist ja auch für dich, mein Schatz!
    BEVA: Ach, das ist ja mal was ganz Neues.
    Ich: .....
    BEVA: Dann zeig doch mal her!?
    Ich: Lege die 3 Neuen auf den Tisch, vorsorglich hatte ich natürlich alle sichtbaren Schleifreste und das Schutzöl bereits im Autobahnstau sorgsam entfernt.
    BEVA: Ahhhha, das sieht ja ganz nett aus!

    Tja, Leute, was denkt ihr?
    Hat die BEVA das kleine 87mm Barlow mit 2 Klingen und polierten Holzschalen oder das antike Okuliermessser mit Vollhorngriff und integriertem Abzieher gewählt???

    Nix da... die BEVA hat todsicher das gertenschlanke Mercator-Zebra raus gegriffen ;(

    BEVA:
    Das ist jetzt aber mal eine echt praktische Sache.
    Schön schlank aber mit gutem Griff zum Zupacken und sogar einem Handschutz.
    Wegen der Verriegelung nur eine mäßig starke Rückenfeder, das bekommen auch Frauen leicht geöffnet!
    Eine lange Klinge mit Flachschliff, da kann ich endlich auch mal die Dauerwurst selber schneiden.
    Das kommt sofort in meinen Rucksack... und du kannst dir gleich mal ein eigenes besorgen, am besten in SCHWARZ, sonst muss ich hinter MEINEM ewig hinterher laufen!

    Tja, Leute, so ändern sich die Zeiten. Wo die BEVA bloss all diese Fachbegriffe her kennt?
    Ich werde wohl besser mal meine Vorbestellung auf den Mercator-4-Teiler erhöhen, sonst bin ich den auch gleich los, wenn die BEVA erst merkt, wie praktisch ein vernünftiger Korkenzieher ist ;)

  • Für die Technikefreaks auf Rückfrage bei Herrn Rommel / Otter-Messer:

    Bestellnummer des 4 teiligen Mercator Messers: 10-526

    Griffkasten:
    Länge: 127 mm
    Breite: 11 mm
    Höhe: 27 mm

    Klinge:
    Länge: 90 mm
    Breite: 3 mm
    Material: C75

    Oberflächenbehandlung des Kastens: schwarz brüniert

    Gewicht des Messers: 300 Gramm (DAS ist ein Taschenmesser!!!)

    Verkaufsbeginn: Messer-Gabel-Schere Markt am 10. und 11.11.2012 in Solingen

    Übrigens, das fände ich doch mal ein tolles Blade-Community Messer 2012 :thumbsup:

    Zumindest sollte es - verglichen mit den anderen hier überwiegend gezeigten feinen Schnittlingen - einen rentenkompatiblen Preis haben...
    liefe also quasi "nebenher". Aber darüber haben andere zu entscheiden :whistling:

  • Hallo Old Boy,
    Eine der tollsten Reportagen die ich bislang in Foren überhaupt lesen durfte : R E S P E K T !!! :good:
    Ich hab's gleich 2x gelesen ... und bin dementsprechend fasziniert wie Du eine solche Vor-Ort-Reportage einerseits so locker und trotzdem mit derart tiefen Einblicken rüberbringen kannst :
    Liest sich locker und mit grosser Freude und der Informationsgehalt trotzdem vorbildlich.

    Danke für solchen Einsatz :hi:

    ABER :
    Zumal wenn die Aussicht besteht, dass Du sowas an anderem Ort nochmals wiederholen könntest (was mich sehr freuen würde) _ ich denke da z.B. auch an Hubertus/Solingen: Puma/Solingen (wobei ich zu Puma freien Zugang als deutlich grösseres Werk schwieriger einschätze als Hubertus als kleineren Betrieb ... villeicht würde aber Hinweis zum BC-Forum und/oder Unterstützung vom BC eine Hilfestellung werden wenn mal kein direkter Zugang genehmigt würde) :
    Du solltest unbedingt diesen Thread vollständig OTTER widmen + entsprechend umbenennen... , so dass hier in Zukunft nur über diesen Hersteller debattiert werden sollte.
    Umbenennen z.B. in : "Otter-Messer : Direkt vor Ort Reportage"

    Hoffentlich weitere ähnliche Reportagen sollten dann zum jeweiligen Werk auch separat erfolgen, was dann eine schöne Serie ergeben würde, da ja villeicht auch andere BC'ler schon Werke besucht haben (auch Ausland) und sich der Serie anschliessen könnten.

    In der Ruhe liegt die Kraft ...
    Freundliche Grüsse aus Luxemburg,
    Serge

    Einmal editiert, zuletzt von stilzkin (25. Februar 2015 um 21:37)

  • Sehr interessant!
    Als Nebenwirkung meines Lebens im spanischen Exil :) habe ich ebenfalls eine besondere Vorliebe zu den heimischen, traditionellen Produkten.
    Meine Sammlung hat jede Menge Sachen von Lütters & Cie, eine Firma die mir sehr sympatisch ist, da sie nicht in Asien fertigen lassen, keinerlei Marketing betreiben (laut Frau Backhaus brauchen sie das nicht, da sie sowieso bei ihren Kunden bestens bekannt sind) und eben ein wirklich kleiner, spezialisierter Betrieb sind.

    Hier ein paar Loewen in Kohlenstoffstahl, wie sie leider nicht mehr hergestellt werden.

    Hier ein ganz eleganter Loewe aus den 60ern mit Perlmutt, mein Anzugsmesser :)

    Weitere sehr typisch deutsche Messer sind die Jagdtaschenmesser wie Christian schon gezeigt hat, ich habe welche von Huebrtus, ebenfalls ein mir sehr sympatischer Betrieb, und immer mit guter Information von Herrn Ritter!

    Hier das 12.321.HH.00

    Hier das 12.311.HH.01 mit Federmesser-Drücker - SEHR ELEGANTE FORM!!!

    Ein ebenfalls deutsches Modell, die Herrenmesser, hier eins von Klaas aus den 50ern (Dank Wrangler)


    Gruss
    surfer

  • Also, als ich versucht habe das BUND Messer zu besorgen, habe ich eine recht grosse Bestellung gemacht (so 20 - 25 gebrauchte) da erst sah ich die ganzen unterschiedlichen Hersteller, OFW, JS, Feike, Fox, Köller etc.

    Also habe ich mir mal die besten 4 rausgesucht (alle neuwertig, von rechts nach links) OFW, JS, Feike, Fox, wobei das OFW das älteste ist und das FOX das neueste.

    Ich habe versucht mich mit den Herstellern in verbindung zu setzen, das hat, bis auf OFW auch am Ende geklappt, JS steht übrigens, wie vom BWB bestätigt, für Jürgen Stamm.
    Die FOX werden und wurden nicht in Asien hergestellt, sondern in Italien, Feike ebenfalls bei FOX.

    Hier die TL (Technische Lieferbedingungen)

    Nun hat im spanischen Forum auch jemand eine wirklich stattliche Sammlung und kann sicherlich noch mehr erzählen.

    Jedenfalls sind diese Messer EXTREM robust!!! Und einige, mit wackeliger Klinge / Marlspiker, konnte ich im Nu wieder mit ner Schraubzwinge reparieren.

    Dass die Bordmesser jetzt in Spanien hergestellt werden, wusste ich nicht.

    Gruss
    surfer