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    Der Geist von Afrika.


    Servus allerseits,

    es ist schon witzig. Sucht man im Web nach Erfahrungsberichten und Reviews zum Spyderco Chokwe, findet man nicht sehr viel. Und hier in der BC, da gibt es jetzt gleich zwei Reviews. Prosit, Thomas! :)

    Spyderco hat dieses Messer, das zur Ethnic-Folder-Series gehörte, leider Ende 2012 aus dem Sortiment genommen. Vereinzelt sind aber noch heute NOS-Exemplare zu bekommen, auch bei Spyderco selbst. Der Preis ist attraktiv wie nie, schön für Spätentschlossene, aber man könnte auch sagen, dass es verramscht wird. Ein bisserl schade ist das schon.



    Als ich das Chokwe zum ersten Mal sah, das muss irgendwann 2011 gewesen sein, war ich sofort von diesem Messer fasziniert. Die ungewöhnlich Form, vor allem die quasi dreieckige Klinge mit ihrer tiefliegenden Spitze. Geradeheraus, schnörkellos, fast puristisch. Die Grundform stammt von den Chokwe, einem afrikanischen Volk, das angeblich seit vielen Hundert Jahren Messer in dieser Art baut. Wobei das im Original Fixed mit Steckerl und Holzgriff sind. Der Legende nach bekam Sal Glesser eines Tages ein solches altes Chokwe-Messer geschenkt, das ihn zu diesem Folder inspirierte.

    Spydercollector: Chokwe, alt und neu

    Viele auffällige Designmerkmale stammen also vom Original: Die dreieckige Klinge mitsamt der Schneidenform, die sargförmige Linienführung des Griffs, die zwei großen Bohrungen darin. Sal Gesser übersetzte das alles in die Proportionen eines Folders und entwarf ein Messer, das dem Vorbild folgt, es aber nicht nachahmt, sondern in meinen Augen einen durchaus eigenständigen Auftritt pflegt. Das Design ist für mich sehr stimmig, aber sicher ein Spalter. Und es hat zwei Gesichter: Geschlossen eher zurückhaltend, fast unauffällig. Offen hingegen mit der optisch sehr präsenten Klinge ein echter Vollformater, markant und gerne auch mal als aggressiv wahrgenommen.

    Dabei ist das Chokwe mit seiner flachen Bauform und der filigranen Linienführung ein Feingeist. Die samtig satinierten Titan-Oberfläche, die sorgfältig gebrochenen Kanten und der feine Strichschliff auf der Klinge unterstreichen das. Und nicht nur die Verarbeitung ist vom allerfeinsten, sondern auch die Funktion. Der Lock arbeitet perfekt: Klang (!), Sitz, Bedienkräfte, Stand, alles makellos. Für die Klinge gilt das gleiche. Der S30V-Stahl ist so unspektakulär wie unauffällig, letzteres aber auf höchstem Niveau. Und ihre außergewöhnliche Form ist ein Clou dieses Messers: Eine wirklich gebrauchstüchtige Spitze, viel Kontrolle über die gesamte Klinge, eine durchaus ordentliche Schneidleistung und Vielseitigkeit aufgrund des leichten Bauchs und des angewinkelten Griffs. Dazu eine hohe Schärfe, herbeigeführt unter anderem durch die vergleichsweise geringe Materialstärke und den ganz oben angesetzten Schliff.

    Der zweite Clou ist das niedrige Gewicht von rund 100 g kombiniert mit der geringen Griffstärke. Natürlich gereicht letzteres dem Griffkomfort etwas zum Nachteil, obwohl dieser absolut gesehen immer noch in Ordnung ist, ergibt aber einen ausgezeichneten Tragekomfort. Nicht jeder Full-size-Folder hat das Talent zum Herrenmesser. Griff- und Klingenform haben noch einen weiteren Vorteil: Das Messer lässt sich sehr feinfühlig handhaben. Beim Schneiden verschmilzt das Chokwe geradezu mit der Hand und gibt sehr genaue Rückmeldungen. Der sehr gute Bedienkomfort tut ein Übriges. Die Klinge läuft butterweich auf zwei Bronze-Washern und lässt sich mit einer einzigen Daumenbewegung vollständig öffnen.

    Wirklich negativ aufgefallen ist mir der Clip, ein einfaches Blechteil, das sicher nicht zum Gesamtniveau des Chokwe passt. Vielleicht ebenfalls nicht mehr ganz zeitgemäß ist die Platine aus Stahl, heute würde der ein oder andere Titan nehmen, und die G10-Griffschale könnte auch aus einen anderen Material sein. Aber spätestens hier kann man ja selber nachhelfen.


    Das Chokwe ist mein Messer für die Seele.


    Pros & Cons:

    + sehr funktional
    + außergewöhnliches Design
    + exzellente Verarbeitung und Funktion
    + ausgezeichneter Tragekomfort
    - gruseliger Clip
    - wird nicht mehr hergestellt (leider)



    Technische Daten:

    Typ | Folder
    Klingenform | Wharncliffe (modified)
    Klingenlänge | 9,6 cm
    Klingenbreite | 3,0 cm
    Klingenstärke | 3,0 mm
    Klingenstahl | S30V
    Primärschliff | Flach, hoch angesetzt
    Grifflänge | 11,8 cm
    Griffbreite | 3,1 cm
    Griffstärke | 1,1 cm
    Griffmaterial | Titan, G10
    Gesamtlänge | 21,3 cm
    Breite geschlossen | 3,5 cm
    Arretierung | Framelock
    Öffnungshilfe | Daumenloch (mit 1,3 cm Durchmesser)
    Gewicht | 103 g
    Preis | Ursprünglich um die 300 EUR, jetzt viel weniger
    Modifikationen | Keine
    Varianten | Keine


    Viele Grüße
    Marc

    Das Einzige, das wirklich Zukunft hat, ist die Zukunft.

  • Danke fürs Review!
    Ich hab mir seinerzeit bei Cuscadi eine Schale aus Canvasmicarta machen lassen, die gefällt mir besser als das schwarze G10.

    Aramis

    "Clean and sharpen tomorrow?
    It's always: dog, gun, knife and then man"

  • Servus,

    ich danke für Deinen Hinweis. Den Umbau habe ich hier schon mal irgendwo gesehen, sieht sehr gelungen aus! :) Für meinen Teil erwäge ich gerade c-tek.

    Viele Grüße
    Marc

    Das Einzige, das wirklich Zukunft hat, ist die Zukunft.

  • Auch von mir ein Danke für die tolle Review!

    Ich kannte dieses Spydie noch gar nicht - scheint mir nie besonders aufgefallen zu sein.
    Jedoch ist die Größe wirklich beachtlich und als Ti-Framelock mit S30V-Klinge gehört es zu den gehobenen Spydercos.
    Die dieser Standard-Stahlclip wird wohl an alle Modelle verbaut, ob es passt oder nicht.
    In diesem Falle wirklich schade, da sich hier natürlich Ti als Clipmaterial besser gemacht hätte
    und bei 300 Euro könnte man auch durchaus hier Ti erwarten.

  • Hallo Marc,

    klasse Review, tolle Fotos, top!

    Wie schon damals in meinem Kurz-Review gesagt, Spyderco hat das Chokwe irgendwie am Markt vorbei geplant. Es hat sich nie großer Beliebtheit erfreut, was mich heute noch erstaunt. Das Messer hat viele gute Eigenschaften und wenn ich unterwegs einen unauffälligen Schneidteufel brauche, nehme ich gerne das Chokwe mit. Es trägt nicht auf und mir liegt es mehr als die Itzi-plitzi-teenie-weenie-Herrrenmesserchen mit 5cm Klinge. :D

    Was den Clip betrifft, da bietet seit einiger Zeit ein Ami anodisierte Ti-Clips für zahlreiche Spydies an, auch für das Chokwe. Nicht ganz billig aber ganz hübsch.
    Guckst du hier: EBAY Bin am überlegen, ob ich ein paar Clips und Spacer für die nächsten Millie Umbauten bestelle.

    Salü
    Thomas

  • Servus Thomas,
    Servus Thomas,

    vielen Dank für Euer Lob und auch vielen Dank für den Link zum Clip, den es wohl auch "in natur" gibt:

    http://www.ebay.com/itm/New-Custom…=item2a41151026

    Das ist in der Tat eine Überlegung wert. Sieht sehr lecker aus.

    Bezüglich der Trageeigentschaften kann ich Thomas/Kangal nur zustimmen, wobei es mir als EDC eine kleine Nummer zu groß ist. Vor allem im geöffneten Zustand hat es eine nicht mehr ganz sozialverträgliche Präsenz. ;)

    Ich denke, dass das Gesamtkonzept dem Chokwe zum Verhängnis wurde. Es ist/war zu ungewöhnlich: Fullsize, aber flach, dazu das kantige Design. Dass es in der Hand deutlich gewinnt und dass es funktional wie verarbeitungsmässig ganz oben spielt, haben viele womöglich dann gar nicht mehr wahrgenommen. Zudem zählte es vor 5 Jahren doch noch zu den eher teueren Spydercos.

    Viele Grüße
    Marc

    Das Einzige, das wirklich Zukunft hat, ist die Zukunft.

  • Hallo Marc,

    tolles Review mit ebensolchen Fotos, danke.

    Persönlich bin ich mit dem Chokwe nie warm geworden, es war mir einfach zu kantig, die obere hintere Ecke des Griffs bohrte sich gerne in die Handfläche, es hat keine Riffelung (jimping) am Klingenrücken, sondern nur wenig Riffelung auf der Unterseite der Klinge, keine ausgeprägte Fingermulde. Ich hatte einfach die Befürchtung, mit dem Zeigefinger auf die Schneide zu rutschen und fühlte mich nie wohl, wenn ich es in der Hand hatte.

    Aber das sind rein persönliche Befindlichkeiten, die andere offensichtlich nicht haben, Geschmäcker sind zum Glück verschieden.
    Wenn einen das nicht stört ist es ein tolles Messer, von Spyderco-typischer hoher Qualität.

    VG,
    Harry

  • Servus Harry,

    vielen Dank für Deine Würdigung! :thumbup:

    Die Bedenken hinsichtlich der Griffsicherheit kann ich nachvollziehen. Für mich persönlich ist das zum Glück kein Problem, weil ich mit dem Chokwe eher homöopathische Schneidaufgaben bewältige. Sobald es etwas heftiger wird, hole ich ein HEST oder ein ZT. Und arg heftig wird's eh nie. :whistling:;)

    Viele Grüße
    Marc

    Das Einzige, das wirklich Zukunft hat, ist die Zukunft.

  • Servus allerseits,

    aktuelle Nachrichten zum Chokwe: Wie oben nachzulesen war ich ja immer mal am Überlegen, was ich mit der Griffschale machen soll. Dieses sehr schlichte und sehr schwarze G10 fand ich nicht wirklich angemessen.

    Nun war ich hin und her gerissen, soll die neue Griffschale eher die traditionelle Seite des Chokwe betonen oder eher die moderne Seite? Holz also oder ein Tech-Material wie C-teck oder Kohlefaser? Ich entschied mich dann für Holz, um den Wurzeln dieses Messers näher zu sein. Und zwar ein afrikanisches, am besten eines, das dort wächst, wo die Chokwe beheimatet sind. In die engste Auswahl kam dann (echte) Akazie und Zebrano, letzteres ist es dann auch geworden, ausgeführt von Cuscadi.

    Die neue Schale ist etwas stärker als die alte, was dem Komfort zugute kommt. Und dem Clip bin ich auch auf die Pelle gerückt, er wurde perlgestrahlt. Das ist nicht perfekt, gefällt mir aber deutlich besser als vorher, und funktional ist er ohnehin in Ordnung.

    Soll mal einer sagen, das Chowke wäre kein bildschönes Messer! 8)


    bladecommunity.de/gallery/image/19050/

    bladecommunity.de/gallery/image/19051/

    bladecommunity.de/gallery/image/19052/

    bladecommunity.de/gallery/image/19049/


    Viele Grüße
    Marc

    Das Einzige, das wirklich Zukunft hat, ist die Zukunft.

  • Servus Marc,

    die Zebranoschalen und der dahinter stehende Gedanke eines Chokwe-heimischen Holzes sowie der perlgestrahlte Clip gefallen mir ausgesprochen gut und stellen eine ganz klare Aufwertung des Messers dar. Kommt dem Ethno-Gedanken dieser Reihe von Messern nämlich deutlich näher als das Original.

    Lass´Dir die Idee samt deren Umsetzung patentieren, bevor es Spyderco so in Serie gehen lässt :thumbsup:

    Beste Grüße
    Axel

  • :D

    Servus Axel,

    nachdem ich das so zusammengebaut hatte, dachte ich mir auch, dass etwas mehr "Liebe" dem Chokwe möglicherweise zu besserem Absatz verholfen hätte. Das war seinerzeit aber evtl. auch nicht Spydercos Art. Und zudem wäre wahrscheinlich der für damalige Verhältnisse ohnehin schon recht hohe Preis durch die Decke geschossen... 8|

    Viele Grüße
    Marc

    Das Einzige, das wirklich Zukunft hat, ist die Zukunft.

  • Mensch Marc,

    jetzt wird es ja richtig avantgardistisch! :greenshocked:
    Als Art Deco Messer würde es jetzt sofort durchgehen.

    Sehr eigenwilliges aber gutes Ergebnis und kosequent zu Ende gebracht.
    Klasse Ergebnis und auch der neu gestaltete Clip passt wesentlich besser.

    Klasse!