• Moin allerseits!

    Ich bin ein großer Freund von einfachen, handgemachten Arbeitsmessern. Mein regionaler Fokus liegt dabei auf Klingen aus Frankreich, Deutschland und Japan - nicht unbedingt in der Reihenfolge. Alle drei Standorte mit reicher und erfreulicherweise noch lebendiger Messertradition. Heute soll es um eine japanische Klinge gehen und zwar um eins meiner absoluten Lieblingsmesser: Das FK7 von Hiroaki Ohta. Es hat deutliche Parallelen zum Higonokami, ist dabei aber gleichzeitig eine sehr eigenständige Interpretation.


    Daten

    Klingenstahl D2
    Mechanismus: peasant knife (danke an dieser Stelle nochmals an Eisbaer für die Begriffspräzisierung im anderen Faden)
    Länge geschlossen: 11,5 cm
    Länge geöffnet: 16,6 cm
    Klingenlänge: 7 cm
    davon Schneide: 6,8 cm
    Klingenhöhe: 1,5 cm
    Klingenrücken: 2 mm
    Gewicht: 27 gr (34 gr mit Scheide)


    Klinge

    Die Klingenform - wie eigentlich auch alles andere am FK7 - ist einem Higonokami entlehnt: Leicht geschwungener Watenspitz, kantiger Schaffuß, reverse tanto... Der Begrifflichkeiten gibt es viele.
    Ganz so wie ein klassisches Higonokami ist es bei näherem Hinsehen dann aber doch nicht. Die Klinge hat einen deutlichen Hohlschliff, der sehr hoch gezogen ist, nämlich bis zum brut-de-forge Bereich. Untypisch ist auch die schmale Angel in Rückenstärke. Normalerweise wird sie bei Higonokamis zur verbreiterten Daumenauflage flach ausgeschmiedet.
    Die Klinge ist out of the box sau scharf, symmetrisch und sehr exakt geschliffen. Für reine Handarbeit ein ungewöhnlich hohes Maß an Präzision.
    Auch die Schnitthaltigkeit ist hervorhebenswert: Mir liegen keine genauen herstellerseitigen Angaben vor, aber der D2-Stahl dürfte mindestens auf 60° Rockwell ausgehärtet sein. Trotz der filigranen Klingengeometrie hält die Schneide sehr lange ihre Schärfe.


    Griff

    Der Griff des FK7 - ebenso wie beim kleineren FK5 - ist aus einem Stück und die Auswahl an Hölzern ist breit gefächert: Wüsteneisenholz, Purpleheart, Cocobolo, Rosewood, Brazilian Walnut, Nara, Palo Santo, etc. pp. (zudem gibt es ein Modell mit Carbon-Heft).
    Für mich gibt es unter den verfügbaren Optionen allerdings nur drei wirklich reizvolle Hölzer: Kirschholz und Ahorn wegen ihres Bezuges zu Japan. Und Ebenholz, das für mich den größten Gebrauchswert hat. Das vorliegende Exemplar hat einen Griff aus Ebenholz.
    Aber für welches Material man sich auch entscheidet, Ohta baut Handschmeichler! Sehr glatt poliert, abgerundet, für meine Hand ideal proportioniert und die Form mit dem leichten Buckel am Griffrücken ist sehr ergonomisch. Zudem nimmt es optisch die Angel auf, was mir in ästhetischer Hinsicht sehr gut gefällt.


    Verarbeitung

    Erstklassig. Sehr gute Passungen. Klinge perfekt zentriert und gerade, keinerlei Spiel. Hervorragend geschliffen, sehr symmetrisch und sehr scharf. Erstaunlich guter Klingengang, zu dem ich später noch etwas mehr sagen werde.
    Auch auf Details wird geachtet: Bspw liegt die Klinge geschlossen im Griff auf dem Ricasso auf (Zur Veranschaulichung habe ich etwas Öl in den Klingenschacht eingebracht. Man sieht dadurch auf einigen Bildern einen Ölfleck an der Fehlschärfe, in dem Bereich, wo das Ricasso aufliegt). Da der Klingenschacht von Hand geschliffen ist, funktioniert das aber nicht immer: Bei meinen beiden FK7 liegt nur das Ricasso auf, beim FK5 liegt auch die Schneide teilweise auf. Allerdings ist zwei von drei erstens ein guter Schnitt und zweitens ist der D2-Stahl so gut gehärtet, dass ich auch mit der im Heft aufliegenden Klinge des FK5 keine Probleme in puncto Schnitthaltigkeit hatte.
    Mitgeliefert wird zudem eine handgemachte einfache Lederhülle, was bei Higonokamis wegen der Angel sehr sinnvoll ist.
    Es ist ein einfaches, aber sehr, sehr gut gemachtes Messer:

    Ohta FK7

    Ohta FK7

    Ohta FK7

    Ohta FK7

    Ohta FK7

    Ohta FK7

    Ohta FK7

    Ohta FK7

    Ohta FK7

    Ohta FK7

    Ohta FK7

    Ohta FK7

    Ohta FK7

    Ohta FK7

    Ohta FK7

    Ohta FK7

    Ohta FK7


    Der Mythos japanischer Klingen

    Und, wird das FK7 der langen und reichen Tradition, kurz: dem Mythos japanischer Klingen gerecht?
    In meinen Augen ja und zwar aus einer ganzen Reihe von Gründen.
    Ohta ist keine Firma, sondern eine one man show. Hiroaki Ohta macht alles selbst: Von der Klinge (inkl. Härten) über die Griffherstellung und den Zusammenbau, bis zum eigenhändigen Nähen der Lederhülle - alles in traditioneller Handarbeit. Dabei ist er international erfolgreich und liefert meiner Erfahrung nach dennoch gleichbleibend sehr hohe Qualität, selbst bei den einfachsten Produktserien. Ein beeindruckendes handwerkliches Selbstverständnis, bei dem der Übergang von Serien- und Custom-Produktion verschwimmt.
    Hinzu kommt das ästhetische Prinzip des Weglassens. Das FK7 ist so einfach wie irgend möglich gehalten, verfügt dennoch über beeindruckend hohe Praktikabilität und überraschende Detaillösungen. Es ist die gleiche Maxime wie auch in den klassischen Budo-Künsten, die hier im Hintergrund steht: so einfach, aber effektiv wie möglich. Aber inwiefern sind Ohtas Klingen hier besonders? Abgesehen vom Gefühl, ein Stück traditioneller japanischer Handwerkskunst in den Händen zu halten, lässt sich das auch an drei objektiveren Aspekten erklären:
    1) Die Angel. Wie für Messer der Higonokami-Form üblich, sorgt die lang gezogene Angel dafür, das Messer kontrolliert offen halten zu können. Beim Higonokami Nagaos ist die Angel abgeflacht, um angenehmer mit dem Daumen draufgreifen zu können. Nicht so bei Ohtas FK7. Hier ist die Angel schmal in Rückenstärke belassen - dafür aber verhältnismäßig lang gezogen. In Verbindung mit dem leichten Buckel am Griffrücken sorgt dies dafür, dass man das Messer ganz natürlich und bequem mit der Hand umfassen kann, ohne die Angel extra mit dem Daumen sichern zu müssen. Das ermöglicht ein völlig natürliches Arbeiten mit dem Messer, weil die Angel unter dem Zeigefinger verschwindet.
    2) Die vergleichsweise schmale Rückenstärke der Klinge in Verbindung mit dem atypischen Hohlschliff und hervorragend gehärteten D2-Stahl sorgen für eine erstklassige Schnitthaltigkeit. Vor allem aber sind Klinge, Griff und die gesamte Konstruktion so ideal aufeinander abgestimmt. Beim Higonokami hat man eine schier unverwüstliche Klinge, die man aufgrund der fehlenden Arretierung, der etwas wackeligen Konstruktion und des sehr schmalen und für große Kräfte zu scharfkantigen Blechgriffs nicht ansatzweise ausnutzen kann.
    Anders beim Ohta: Die filigran anmutende Klingengeometrie nimmt Bezug auf die Bauform. Es ist ein Messer zum Schneiden, sonst für nichts, aber genau dafür ist es hoch optimiert.
    In meinen Augen besteht genau darin ein Höchstmaß an Eleganz!
    3) Der Klingengang ist erstaunlich glatt und auch bei Temperaturunterschieden und Feuchtigkeit (in Maßen) ungewohnt gleichmäßig, was bei einer solchen Konstruktion überrascht. Wer kennt nicht das typische Opinel-Problem, dass die Klinge bei Kälte fast frei aus dem Griff fällt, während sie bei Hitze und vor allem Feuchtigkeit kaum zu öffnen ist. Etwas übertrieben jetzt, aber klar ist: Holz arbeitet, ist recht temperaturempfindlich, quillt bei Feuchtigkeit auf und wenn Feuchtigkeit ins Gelenk kommt, erhöht sich zudem die Reibung. Von all dem merkt man beim FK7 praktisch nichts. Gut, Ebenholz quillt nun aber auch kaum und ist so dicht, dass es auch bei Temperaturschwankungen kaum schrumpft oder sich ausdehnt. Liegt's also daran? Nein, denn auch mein FK7 aus Ahorn und das FK5 aus Kirsche zeigen sich im Klingengang genau so unbeeindruckt und gleichmäßig. Aber woran liegt's dann? Die überraschende Antwort: An Washern! Tatsächlich verbaut Hiroaki Ohta Washer zwischen Klinge und Griff, was die potentiellen Probleme einer solchen Konstruktion schlicht behebt. So schlicht dann aber doch nicht, denn es handelt sich nicht um Teflon-Washer und bedenkt man, dass wir es a) mit einem Griff aus einem Stück zu tun haben und der Klingenschacht b) praktisch nur genauso breit ist, wie der Klingenrücken, dann heißt das, dass von außen unsichtbare Washer von innen im Griff versenkt werden müssen, ohne dass man da wirklich Platz zum Arbeiten oder viel Material hätte. Für mich sind solche handwerklich anspruchsvollen Lösungen ein Merkmal der Custom-Produktion, die ich bei einem so einfachen und vergleichsweise kostengünstigen Messer (grob 85 € fürs FK7 und 60 € fürs FK5) nicht erwartet hätte.
    Nur fotografieren lässt sich das schwer: Die Washer sind so sauber eingepasst, dass ich sie weder mit Lupe vor der Linse noch bei Gegenbeleuchtung ablichten kann.
    Hier kann man rechts neben dem Ricasso vielleicht die obere Kante des Washers erahnen.

    Ohta FK7

    Mein Fazit: Die lange Angel löst weitgehend das konstruktionsbedingte Problem der unbequemen Griffhaltung.
    Die Klingengeometrie ist moderner und schafft eine Einheit zwischen dem, was Klinge und Griff bewältigen können und sollen.
    Die Washer lösen weitgehend die konstruktionsbedingten Probleme der äußeren Einflüssen über den Holzgriff auf den Klingengang.
    Das ästhetische Prinzip der maximalen Schlichtheit in Verbindung mit höchster Präzision der handwerklichen Fertigung, gepaart mit anspruchsvollen Detaillösungen, um höchste Praxistauglichkeit zu gewährleisten, machen für mich den Mythos japanischer Klingen aus und das alles verkörpert Ohtas FK7 auf allerbeste Weise.

    Euch allen die besten Wünsche für den anstehenden Jahreswechsel,

    Armin

    Grüße in die Runde!

    Einmal editiert, zuletzt von fluegelfeder (31. Dezember 2017 um 15:23) aus folgendem Grund: Bilder vervollständigt

  • Tolle Vorstellung, Armin!

    Ich kannte die Messer noch nicht, und muss sagen, sie interessieren mich sehr!
    Das Messer ist sehr ursprünglich, und diese Einfachheit gefällt mir sehr gut.

    danke für‘s Vorstellen und auch einen guten Rutsch ins Neue Jahr
    Viele Grüße Gerd

    ... und immer einen ungeschälten Apfel in der Tasche! :thumbup:

  • Sobald ich sie in der Hand habe gefallen mir diese einfachen japanischen Messer sehr gut. Das Higonokami was ich bisher mal in Natura gesehen habe hatte allerdings ein unausstehliches Raindrop-Kleber-Finish auf dem Metallgriff. Sowas aus Holz wäre da schon deutlich angenehmer und mehr nach meinem Geschmack.

  • Moin Armin,

    warum lese und sehe ich den Bericht und die Bilder denn jetzt erst? Ist mir vorher nicht aufgefallen.
    Klasse Bericht, Bilder von einem wirklich tollem Messer!

  • Moin!

    Danke für die netten Worte :)

    @ NicoColt1911: Wenn ich's richtig sehe, gehört das Higonokami mit Raindrop-Finish aber immerhin zu den wenigen 'echten', denn soweit ich weiß, ist Motosuke Nagao der letzte klassische Higonokami-Schmied.
    Aber schon richtig: vergleichen lassen die Messer sich nicht: Nagao-Higonokami hat eine Art Scandi-Schliff und eine Rückenstärke von meist um die 3mm. Massive Klinge also, aber leicht wackelig in schmalem, an den Kanten einschneidenden Griff aus gefalztem Metall.
    Ohta hingegen schmale Klingenstärke, Hohlschliff, ein absoluter Schneidteufel (mit hervorragend gehärteter D2-Klinge), aber absolut nichts fürs Grobe.

  • warum lese und sehe ich den Bericht und die Bilder denn jetzt erst?

    Ich vermute, weil die Review direkt am letzten des Jahres erschienen ist.
    Ich habe wenigstens die Entschuldigung, dass es mich über den Jahreswechselt voll mit Grippe
    erwischt hat und bei mir deswegen auch Sylvesterfeiern ausgefallen ist.
    Wenigstens hat uns der Gerd damals würdig vertreten! :greenthumbs:

    Somit spät statt gar nicht:

    Wieder eine gewohnt perfekte Review, Armin.
    Es stimmt einfach alles.
    Von den Detailbildern über die Beschreibung der Anwendung bis hin zum absolut leckeren Brotzeitbuffet
    ist alles dabei, was das Herz erfreut.
    Du verstehst es aufs Beste, Messer leidenschaftlich nahe zu bringen, die ich so nie auf dem Schirm hätte,
    die aber Charakter, Stil und volle Anwendungstauglichkeit besitzen.