Caly 3.5 Honyaki mit Dünnschliff

  • Servus,

    da meine Beiträge hier in der Spydie-Ecke erfreulicherweise auf viel positive Resonanz stossen, möchte ich euch mein wichtigstes und gleichzeitig schrägstes Spyderco-Projekt nicht vorenthalten und dazu muss ich ein wenig ausholen.

    Ich hab mir vor Jahren zwei Caly 3.5 gekauft, zuerst ein ZDP189 mit Carbonbeschalung, dass Teil war damals für mich höllisch zu schleifen, weil ich noch nicht sattelfest genug war zu verstehen, dass man Stähle dieser Art nicht völlig abstumpfen lässt und schon gar nicht, wenn über der Wate 0,70mm anstehen. Folglich bin ich an dem Stahl fast verzweifelt, weil ich keine wirkliche Rasurschärfe ( Unterarme oder Waden gegen den Wuchs ) anschleifen konnte. Es fehlt an Equipment und Erfahrung. Später habe ich ein taubengraues „sprint run“ Caly 3.5 mit AS-Klinge gekauft, damals schon mit dem Hintergedanken die Klingen auszutauschen. Was ich auch gemacht habe. Das verhasste ZDP189 hab ich dann mit den taubengrauen Schalen um einen Dumpingpreis verkauft.

    Die 3,5er Caly’s haben keine Washer, da läuft die Klinge Stahl auf Stahl. Bei Wechsel der Klingen war ich erfreut, das die Japaner so präzise arbeiten. Nach kurzer Zeit war die „fremde“ Klinge mit der „fremden“ Achse so perfekt eingelaufen, als wäre das Original gewesen. Nur am Rücken ist die Feder nicht mehr zu 100% plan, da fehlt vielleicht ein 1/10mm. Ist verschmerzbar.

    Über die Jahre habe ich durch Kochmesser viel über Klingengeometrien gelernt und hatte mit den flachgeschliffenen 0,70mm an der Caly-Wate keine rechte Freude mehr. Wer nix anderes kennt und meint so ein Flachschliff mit V-Fase schneidet eh fein, okay der ist zufrieden. Ich war’s nicht mehr. Nach Rücksprache mit einem Forumskollegen anderorts, er möge mir das doch bitte so ausdünnen, dass eine Möhre weitgehend knackfrei durchschnitten werden kann, ist diese kleine Verrücktheit entstanden.

    Jetzt hat es am Rücken gemessene 1,94mm und direkt über der Wate zwischen 0,15 und 0,10mm Dicke. Die Schneidfase ist knapp unter 2/10mm Breit, Schneidenwinkel etwas stumpfer als bei Kochmessern, nämlich 38°

    Die Klinge aus Aogami Super ist mit zu anderen Kochmesserklingen zum Härten in den Ofen gewandert, aber nicht ohne einen kleinen Mantel aus Lehm.

    Aus der netten Idee wurde Realität, ich hab jetzt ein Spyderco Carbon-Aogami Super Honyaki. :D

    Das ganze hätte auch schiefgehen können, aber die kurze Klinge und vor allem die 0,70mm an der Wate waren stabil genug um nicht an der Schneide zu verwellen, oder gesamt zu verziehen.

    Nach dem Härten wurde die Klinge noch dünngeschliffen, was man an der winzigen Schneidfase schön sehen kann, dann wurde geätzt und poliert um den Hamon ein wenig hervorzulocken. Das Taschen-Honyaki gleitet jetzt knackfrei durch Möhren, es schneidet also meinen Ansprüchen angemessen. :D

    Ist jetzt ein schönes Unikat, wo schon mehr Aufwand dahinter steckt, als nur die Klinge in den Tumbler zu schmeißen, zu ätzen oder neue Schalen dranzumachen.

    Nach der Frischzellenkur darf das Caly. jetzt wieder mit Freude täglich mit. Nur will der Umgang mit so einer feinen Schneide nicht vergessen werden und vor allem, darf einem nix unvorhergesehenes passieren. Bei Öffnen einer Verpackung schneide ich entlang des Randes um den Inhalt nicht zu gefährden ( da war, no na ein Kochmesser drinnen ) und ich stosse beim Schneiden auf einen Widerstand. Denke mir nix böses und tippe auf doppelt Pappe, dabei war es eine Schraube, die einen verborgenen, innenliegenden Holzrahmen zusammengehalten hat. Das Ergebnis war hart anzuschauen. Die dünne Schneide ist weggebröselt wie ein Keks, nachdem ich an dem Schrauben herumgeschnitten habe. ;(

    Nach dem ersten Schreck hab ich mein Schleifzeug aufgebaut und in einer 1/2 Stunde war der Schaden behoben.

    Das Ergebnis nach der Reparatur:

    Dennoch muss klar sein, das eine solche Klinge im Alltag schneller versagt als ein stabilere, aber wer eine harte Salami mit meinem Caly. schneidet, wird mit seinem Messer im Aufgabenbereich der Jausenzubereitung nicht mehr so zufrieden sein, wie zuvor. Natürlich kann man nicht alles haben und ein kompromisslos leichter Schnitt zieht den Anwendungsrahmen enger, dass muss einem klar sein.

    Gruß, cato

    Nichts ist gelber als das Gelbe selber. :D

  • Exzellent!

    Das sind sie, die Messer der echten Freaks! Ein Tuning, welches außerhalb jeglicher wirtschaftlicher Vernunft durchgeführt wurde, mit dem einen legitimen Zweck: Leidenschaft fürs Messer.

    Ich bewundere die Modifikation sehr. Nicht nur im Ergebnis, sondern auch insoweit, dass sowas nur dann möglich ist, wenn man absolut weiß was man will. Hierzu gehört Erfahrung, was man möchte und was technisch möglich ist. Das geht doch sehr weit über eine künstliche Senf- Patina hinaus.

    Daß du den Klingenschaden so gut selbst beheben konntest, ist für den weiteren Gebrauch sicherlich kein Nachteil, bei einem derart ausgereizten EDC.

    Wirklich tolles Ergebnis!

    Gruß

    The Lem

  • The Lem hat es schon sehr treffend beschrieben.
    Dein "neues" Caly ist ein sehr schönes Beispiel an Experimentierfreude, gepaart mit einer gehörigen Portion an Wissen um Stähle und Schneidgeometrien.
    Ich bin beeindruckt, auch von Deinem Schleifequipment und den Möglichkeiten der Makrofotographie.

    Schönen Sonntag
    Axel

  • Hallo Cato,
    Respekt vor soviel Hingabe, Können und Akribie.
    Das graue Caly mit der ZDP189-Klinge ist auf Umwegen übrigens bei mir gelandet-ich mag es.

    Freundliche Grüße
    Markus

  • ist ein sehr schönes Beispiel an Experimentierfreude

    Servus,

    ja, schauen was geht ohne Anspruch auf Vernunft. :D Das eine durchgehende Alltagstauglichkeit mit so einem Schliff verloren geht, war klar. Im Prinzip komme ich einer besseren Schneidkantenstabilität mit jedem Schliff/Reparatur wieder ein Stück näher, wenn ich auf gleichzeitiges ausdünnen verzichte. Das langsame Rücksetzen der Schneide regelt das von selbst. Das ich dieses Messer nur mit Bedacht und nur für bestimmte Zwecke nütze versteht sich von selbst, aber das wofür ich es benutze macht dann auch Laune. :)


    Und eigentlich hab ich eh immer mehr als ein Messer dabei. Ausnahmen nur an heißem Sommertagen, da geht nur was leichtes mit, das nicht wegrostet.

    Gutes Schleifequipment und Schneidenkontrolle hab ich mir angelernt und mag ich nicht mehr darauf verzichten. Ist alles übertrieben und interessiert einen Sammler und normalen Nutzer nicht die Bohne. Erst wenn sehr dünne Schneiden am Programm stehen, dann wird das interessant, sonst nicht. Das ist bereits reine Gewohnheit jedes neue Messer unter's Mikro zu legen um mir den Schliff anzuschauen. Ich hab mich da von echten Schleiffreaks anfixen lassen, die treiben's noch viel ärger. :D

    Gruß, cato

    Nichts ist gelber als das Gelbe selber. :D

  • Dennoch muss klar sein, das eine solche Klinge im Alltag schneller versagt als ein stabilere, aber wer eine harte Salami mit meinem Caly. schneidet, wird mit seinem Messer im Aufgabenbereich der Jausenzubereitung nicht mehr so zufrieden sein, wie zuvor. Natürlich kann man nicht alles haben und ein kompromisslos leichter Schnitt zieht den Anwendungsrahmen enger, dass muss einem klar sein.

    Hallo,
    Einfach „geil“, was Du da mit Leidenschaft und Können aus einem normalen Serienmesser rausholst! Der Ausbruch ist so kein Mangel am Messer, sondern der Anwendung, rapariert...fertig. Schneidfähigkeit über alles! :thumbsup:

    Ich stelle mir auf meinen Touren gerade Brotzeit mit Salami und harten Pfefferkörnern vor, Schnittgut beurteilen, alternatives Messer auswählen usw., dann einen Stock bearbeiten.... ;(

    Gruß
    Burghard

  • Ich stelle mir auf meinen Touren gerade Brotzeit mit Salami und harten Pfefferkörnern vor, Schnittgut beurteilen, alternatives Messer auswählen usw., dann einen Stock bearbeiten....

    Servus,

    ja, wenn sich die Anwendungsfehler häufen, wird die Schneide immer stabiler ( und die Klinge immer weniger :) ) und bald geht eine Salami mit Pfefferkörnern ohne Sorge. :happy:

    Na, ist völlig klar, dass deine Kriterien anders gelagert sind und dieses Messer so ziemlich das unpassendste wäre. Vielleicht hilft's wenn man sich das wie flippen vorstellt. Da kauft man einen Flipper der super flippt, damit man flippen kann. Was er sonst noch kann oder nicht ist wumpe. :D Hier gehts auch nur um die Spielerei wie leicht das schneiden kann und das ein Hamon dran ist. In den Wald würde ich das auch nicht mitnehmen, oder vielleicht doch zum Apfelschälen, weil das mit dem Messer da unten weniger gut geht. :D

    Gruß, cato

    Nichts ist gelber als das Gelbe selber. :D

  • Tolles Tuning!
    Mir gefällt dein Klingenumbau mit dem Hamon sehr gut. Messer müssen schneiden und zwar richtig. Du hast es hier auf die Spitze getrieben, weisst aber auch genau was die dünne Klinge noch verträgt. Jedem kann man so eine Klinge nicht in die Hand geben, sonst ist die Katastrophe vorprogrammiert.
    Interessanter Bericht, danke.

    Gruss Heiri

  • Sehr geiles Tuning und interessante Schleifausrüstung hast du, ich hoffe die stellst du auch mal vor.
    Habt ihr die Klinge vorm ausdünnen weichgeglüht oder sonst wie wärmebehandelt?
    Sehr schickes Unikat ist das geworden mit einem schönem Hamon. :thumbsup:

    Viele Grüße,
    Pierre

  • Servus,

    Habt ihr die Klinge vorm ausdünnen weichgeglüht oder sonst wie wärmebehandelt?
    Sehr schickes Unikat ist das geworden mit einem schönem Hamon. :thumbsup:

    Viele Grüße,
    Pierre

    ich bin nicht mehr ganz sicher ob zuerst normalisiert wurde, also 3x bei 750° härten. Dann die Klinge aufgeraut und den Zementmantel ( Ofenkitt ) drangepappt und bei 150° getrocknet und normal bei 850° mit Ölabschreckung gehärtet und dann 2x 2h bei 170° angelassen. Krumm oder gerissen war nix und und vorm anlassen war das schon glashart, eine 72HRC Valtitanfeile greift null...Wegen fehlender planparalleler Flächen war kein HRC-Test möglich, aber weich ist das nicht, die Schärfe steht wie eine Eins. Vielleicht ist das jetzt etwas spröder geworden, dass ist aber spekulativ, weil die Wate um mehr als einen 1/2 Millimeter dünner ist als Original und dem entsprechend empfindlich. Zu plastischen Verformungen kommt es nicht, wenn dann bricht das, was wieder für die Sprödigkeit und Härte spricht. Bei meinen dünngeschliffenen Kochmessern aus AS hatte ich auch nie plastische Verformungen sondern im Mikrochips bei falscher Anwendung oder zu sehr ausgereizten Geometrien. Ich hab mich da immer mit Rücksetzen der Schneide ans persönliche Optimum rangetastet. :D

    Ob die Angaben jetzt alle auf Punkt und Komma stimmen, kann ich nicht beschwören, ist schon eine Weile her, dass ich darum gebeten habe.

    Dann wurde ausgedünnt, dann längs satiniert und in Fe3Cl geätzt und noch mal drüberpoliert.


    Gruß, cato

    Nichts ist gelber als das Gelbe selber. :D

  • Dein Spyderco-Tuning war absolut spannend zu lesen.
    Mir gefallen solche Optimierungsmaßnahmen mit professionellem Hintergrund
    und Du scheinst auch ganz genau zu wissen, was Du tust - Respekt!

    So einen extrem schneidfreudigen Folder immer in der Tasche zu haben, ist schon eine tolle Sache.
    Es spricht aber auch für das Caly, welches anscheinend extremes Optimierungspotential hat.